War es bei Hegemanns "Axolotl" noch vertretbar, über künstlerische Freiheit, literarische Montagetechniken und Intertextualität zu diskutieren, so verbietet sich dies in der Diskussion um Guttenbergs Dissertation. Denn hier wurde in großem Stil – in einer Mischung aus Akribie (1 300 Fußnoten) und Schludrigkeit (unausgewiesene Zitate) – ein Text buchstäblich zusammengekleistert. Das mag die Mehrheit der Bevölkerung entschuldigen, zumal nicht seine Qualifikation als wissenschaftlicher Assistent gefragt war, wie Angela Merkel betont. Aber es muss befremden, wenn einer Regierungschefin nicht bewusst ist, dass durch das Verhalten ihres Ministers nicht nur persönliches Ansehen, sondern auch der Ruf der Wissenschaft und der Universitäten beschädigt wird.
Mit dem Bekenntnis zum Wissenschaftsstandort Deutschland und zur "Bildungsrepublik" ist diese Haltung jedenfalls nicht vereinbar. Und sie führt auch die Arbeit der Verlage, die zusammengeklaubtes Material unwissentlich als Qualifikationsschrift verkaufen, ad absurdum. Der Schritt von Duncker & Humblot, den Verkauf des Buchs einzustellen, war zwingend und honorig. Die Hemdsärmeligkeit, mit der in Teilen der Öffentlichkeit über den Fall debattiert wird, zeigt, wie wenig man die Integrität von Wissenschaft und wissenschaftlichem Publizieren schätzt. Das infiziert auch das Wissenssystem selbst.