Interview mit Prof. Franz-Rudolf Esch

"Die Zielgruppe erwartet Professionalität"

4. Mai 2011
von Börsenblatt
Weissbooks ist gerade dabei, zur Frauenfußball-WM ein Buch zu produzieren – und eine Box mit einer weiblichen Tipp-Kick-Figur. Prof. Franz-Rudolf Esch, Head of Marketing an der EBS Business School und Academic Director des Automotive Institute for Management, gibt  eine Einschätzung, ob der Verlag damit neue Zielgruppen gewinnen kann und ob öffentliche Veranstaltungsorte auch gute Verkaufsorte sind.

Wird der Verlag Ihrer Einschätzung nach mit der Tipp-Kick-Box wirklich neue Zielgruppen erreichen?

Esch: Das ist gut vorstellbar. Allerdings wird es die Käufer nicht näher an den Verlag heranbringen. Fußballfans und Tipp-Kick-Fans werden die Box als Add On wahrnehmen.

 

Wie wird die bisherige Zielgruppe des Verlags, Etablierte und Konservative, darauf reagieren?

Esch: Die Frage ist, ob die Romanleser das Angebot überhaupt wahrnehmen. Allerdings sind unter den Etablierten und Konservativen ja auch Fußballfans, die das Angebot sicher als attraktiv empfinden werden. Wenn das Produkt professionell gemacht ist – das erwartet die Zielgruppe –, wird es ihre Zustimmung bekommen.

 

Der Verlag wird das Buch auch über den Spielwarenhandel verbreiten, will es auf den verschiedensten Veranstaltungen im Vorfeld und während der Frauenfußball-WM offerieren: Sehen Sie für die Ware Buch plus Tippkick-Figur eine Verkaufschance bei öffentlichen Veranstaltungen?

Esch: Dort kaufen die Besucher Dinge, die in Beziehung zu dem Veranstaltungsthema stehen. Die Box könnte wie ein Erinnerungsstück in den Fanshops gekauft werden, das Buch kann für Mädchen, die Orientierung für den eigenen Lebensweg suchen, interessant sein. Sie wollen wissen: Was kann ich vielleicht von diesen Weltmeisterinnen lernen? Doch, diese Verkaufsorte sind eine echte Option.

 

Wo liegt Ihrer Meinung nach der Nutzen für den Kooperationspartner, die Firma Mieg, die Tipp-Kick produziert?

Esch: Für das Unternehmen ist die Box eine sinnvolle Ergänzung: Sein Produkt wird um ein Buch erweitert, das thematisch gut zu den Figuren und zum Anlass der WM passt. Das ist ein Nutzen für Mieg.

 

Wie sieht ein geeignetes Marketing für dieses Produkt aus?

Esch: Das richtet sich danach, wie viel Geld ein kleiner Verlag überhaupt dafür hat. Erstmal ist es eine gute Idee, sich mit einem Kooperationspartner wie Mieg / Tipp-Kick zusammenzuschließen: Ein kleiner Verlag wird von einem größeren Partner huckepack genommen. Die Maßnahme, Unternehmen und Sponsoren anzuschreiben und zu clustern, bedeutet einen kleinen, überschaubaren Aufwand und ist erfolgversprechend. Was man noch tun könnte, wäre, über Social Media bei Fußballbegeisterten Interesse für die Box zu wecken.

 

Der Verlag ist im Gespräch mit Industriekunden, um sie dazu zu bewegen, beispielsweise die mögliche Werbebannerfläche in der Pappschachtel mit dem eigenen Firmenlogo bedrucken zu lassen und an Geschäftskunden zu verschenken: eine clevere Idee?

Esch: Viele Unternehmen nutzen Events, um von ihnen zu profitieren, man bringt sich ins Gespräch, zeigt, dass man dabei ist. Es ist gut denkbar, dass Firmen in Erwägung ziehen, ausgewählten Kunden zur Frauenfußball-WM ein besonderes Präsent zu geben.

 

Tipp-Kick ist recht retro: Sind solche nostalgischen Themen derzeit gefragt?

Esch: Sicher kommt das Internet bei Jugendlichen wesentlich stärker an als solche Spiele, aber hier kommt es auf etwas anderes an: Das Spiel lädt zum geselligen Beisammensein ein, bietet einen Anlass, um in der Familie und mit Freunden etwas gemeinsam zu machen.

 

Mal abgesehen von Merchandising-Produkten zu Bilderbuch-Charakters oder bekannten Buchfiguren: Warum kommen nur wenige Verlage auf die Idee, eigene Non-Books zu produzieren?

Esch: Das Verlagswesen ist eine eher konservative Branche. Für Verlage ist es naheliegender, eine Marke zu dehnen, also zum Buch etwa ein Hörbuch oder eine CD-ROM zu machen, als in völlig neue Produktkategorien zu gehen. Voraussetzung ist ja immer, dass ein Buch es auch inhaltlich hergibt; aus einem Film kann mehr viel mehr Produkte ableiten als aus einem Buch. Dann ist bei Non-Books das Risiko höher, Verlage lassen starke Titel lieber lizenzieren.

 

Welche Non-Books wären Ihrer Meinung nach im Buchhandel erfolgversprechend?

Esch: Nehmen wir beispielsweise John Grisham als starke Marke: Als erstes muss sich der Verlag überlegen, was er um diese Marke herum anbieten kann, was dazu thematisch passt. Dann muss er prüfen, welche Partner es gibt, die aktiv werden könnten, ob etwa Ravensburger ein entsprechendes Spiel konzipieren könnte.