Zum Tod von Daniel Keel

Im Gleichgewicht zwischen Umsatz und Liebe

13. September 2011
von Börsenblatt
»Alles, was Sie machen, machen Sie perfekt«, schrieb Georges Simenon in einem Brief an Daniel Keel. »Es gibt viele gute Bücher, aber sehr wenige gute Verleger. Es ist mein größtes Glück, dass ich von dem besten von ihnen ausgewählt wurde«, sagt Donna Leon. Diogenes-Autoren und Verlagskollegen über Daniel Keel.


»Für viele ist ein Verlag ein Geschäft, aber für mich muss ein Verlag eine Familie sein, und in dieser Familie muss es einen Familienführer geben, und das war für mich immer Daniel Keel. Ich habe ihn 1957 getroffen, als er noch sehr jung war. Wir sind zusammengewachsen, mit viel Dünger. Ich könnte jeden Tag dankbar sein dafür, dass ich so einen Menschen getroffen habe mit so viel Talent, Sensibilität und Begeisterung.«

Tomi Ungerer

 

 


»Daniel Keel ist einer der wenigen Verleger, die ich kenne, der eigentlich alles liest, was er veröffentlicht. Er kann sich ebenso gut für Balzac und für Flaubert begeistern wie für moderne Schriftsteller.«

Friedrich Dürrenmatt

 

 


»Daniel Keel schrieb mir im Jänner 1953 einen Brief. Er sei zweiundzwanzig Jahre alt, habe gerade einen Verlag für humoristische Bücher gegründet, sein erstes Erzeugnis sei ein kleines Buch mit Zeichnungen von Ronald Searle und ob ich Material für ein ähnliches Unternehmen habe. Im Mai lieferte ich die Zeichnungen in Zürich ab. Am Bahnhof stand ein Jüngling, fast ein Knabe noch, er wirkte etwas schüchtern und etwas schlau und hatte etwas von seinem Theologen an sich. Gar so sehr hat er sich seither gar nicht verändert. Er wohnte in der Zürcher Merkurstraße in einem altmodischen Untermietzimmer in einer altmodischen Wohnung in einem altmodischen Haus und hatte seine Buchhaltung in einem alten Persilkarton unter seinem altmodischen Bett. Im Gang der Wohnung lagen große Stöße einer arabisch gedruckten Zeitschrift, deren Adressat seit einem Jahrzehnt verstorben war, die aber unverdrossen immer noch aus dem Orient an ihn geschickt wurde. Er führte mich dann in ein alkoholfreies Restaurant namens ›Frohsinnz‹ um Essen aus, und ich schenkte ihm eine kleine Zeichnung. Diese maßvolle gegenseitige Generosität haben wir seither beibehalten. Meine Eindrücke schienen mir günstig und merkwürdig, und ich hatte keine Bedenken, mich diesem Anfänger anzuvertrauen, war ich doch selbst einer. Seither bin ich beim Diogenes Verlag, habe mich noch nie gestritten und habe noch nie einen Verlagsvertrag gelesen und halte nichts von der Mitbestimmung der Autoren. Vielleicht ist das ein Kompliment für den Verleger und Freund.«

Paul Flora

 

 


»Es gibt viele gute Bücher, aber sehr wenige gute Verleger. Es ist mein größtes Glück, dass ich von dem besten von ihnen ausgewählt wurde. Die Bücher mögen von mir sein, aber der Erfolg gebührt Daniel Keel.«

Donna Leon

 

 


»Daniel Keel ist ein großes Glück für mich gewesen. Bevor mein erstes Buch erschien, war ich gerade mitten in dieser amerikanischen Produktion, was sehr schwierig für mich war, weil ich siebzehn Fassungen vom Drehbuch schreiben musste, und ständig redeten hundert Leute rein. Als ich Daniel Keel gefragt habe, was ich an meinem Buch ändern soll, hat er gesagt, der Autor hat das letzte Wort, was ich damals kaum glauben konnte – ich war ganz platt.«

Doris Dörrie

 

 


»Nachdem ich vor zwanzig Jahren mein erstes Manuskript eingereicht hatte und wir zum ersten Mal telefonierten, hast Du eine volle Stunde mit mir geredet, ohne dass ich Deinen Namen verstanden hatte. Du warst voller Wissbegier und ungeheucheltem Interesse, so dass ich mich – eine noch gänzlich Unbekannte – sofort aufgewertet fühlte. Am Schluss fragte ich mit der Naivität eines Greenhorns: »Wer sind Sie eigentlich und wie heißen Sie?«, und die Antwort kam sachlich und ohne eine Spur von Gekränktheit: »Ich bin Ihr Verleger Daniel Keel.« So hattest Du im Handumdrehen eine 55-jährige Hausfrau in eine Schriftstellerin verwandelt. Später habe ich oft Deinen scharfen Blick für kleine und große Mängel bewundert. Deine Kritik war nie verletzend, sondern immer begründet und einleuchtend. Wahrscheinlich habe nicht nur ich, sondern auch die meisten Deiner Autoren viel von Dir gelernt.«

Ingrid Noll in einem Brief an Daniel Keel

 

 


»Man hat eine starke persönliche Verbundenheit zu den Diogenes Leuten und zu Daniel Keel. Er hat keinen Druck von fremden Vorstandsmitgliedern, die nur auf Zahlen achten, ist fähig, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Umsatz und Liebe.«

Leon de Winter

 

 

»Daniel Keel ist tatsächlich ein Besessener, ein rettungsloser Leser, einer von denen, die alles lesen, was ihnen vor die Augen kommt; allerdings nicht alles zu Ende. Daniel Keel liest also auch Beipackzettel von Medikamenten oder Expertisen von Professoren auf italienischen Mineralwasserflaschen und auch, wie ein Intellektueller der alten Schule, ganze Haufen von Tages- und Wochenzeitungen. Wie viele Bücher er schon gelesen hat, wage ich gar nicht zu schätzen. Viele tausend. Er ist ein Verleger, der liest, ein Typus, der zur Zeit nicht allzu häufig anzutreffen ist in der Branche. Als Leser hat Daniel Keel ein sehr großes Herz. Er liest, und wenn ihm ein Text nicht gefällt, lässt er sich gewiss nicht davon beeindrucken, dass ein berühmter Name auf dem Titelblatt steht. Blöd ist blöd. Seine Antennen sind dabei sehr fein und nehmen auch mit Texten Kontakt auf, die für andere Zeitgenossen nur schwache Signale aussenden. Die Liste seiner Lieblinge verdient ein Triple-A-Rating: Montaigne, Balzac, Cechov, Dürrenmatt. Wolfgang Hildesheimer hat er umworben, als ihn wirklich noch niemand kannte, und er wollte der deutsche Verleger Becketts werden, als dessen Warten auf Godot taufrisch war und, anders als heute, bei den meisten Zuschauern und Lesern verständnislose Verstörung auslöste. Kurz, Daniel Keel, der Leser, ging nicht ausgetretene Wege, wusste aber auch immer, dass Bücher nicht unbedingt Unterhaltungsramsch sein müssen, nur weil sie von sehr vielen Menschen geliebt werden. Er hat es in einer seiner sehr seltenen schriftlichen Äußerungen einmal so gesagt: ›Ich teile alle Werke in zwei Sorten ein: solche, die mir gefallen, und solche, die mir nicht gefallen. Ein anderes Kriterium habe ich nicht.‹ Das ist so sehr von Daniel Keel, dass wir beinah vergessen haben, dass der Satz eigentlich von Cechov  stammt. Gott sei Dank im Übrigen, publiziert er nicht ausschließlich Bücher, die ihm gefallen. Nein, er publiziert  Autoren. Er ist die Treue selbst. Auch wenn ihm einmal ein neues Buch eines seiner Autoren nicht so sonderlich gefällt, druckt er es, mit derselben Liebe.«

Urs Widmer

 

 


»Ich bin Daniel Keel sehr dankbar, denn seit dem Tag, an dem ich ihn kennenlernte, hatte ich im Laufe der Jahre immer mehr Gründe, ihn zu schätzen. Ich bin ihm dankbar, weil er etwas zu meinen Filmen hinzugefügt hat, wodurch man sie vielleicht tiefer verstehen kann, sie sympathischer findet. Wenn meine Filme auf dem deutschen Markt einen gewissen Respekt, eine gewisse Achtung und Sympathie genießen, so verdanken sie das zum Teil auch der editorischen Arbeit des Diogenes Verlags, der mit seinen Büchern über meine Filme meine Arbeit reicher, wichtiger gemacht hat. Ich bin glücklich darüber, dass ich Daniel Keels Freund bin. Ich bewundere seine Integrationskraft. Es gibt Geschöpfe, die genauso wichtig wie die Künstler sind, indem sie die Möglichkeit bieten, die Arbeit eines Künstlers entstehen, wachsen, zu lassen. Und Daniel ist einer von diesen, ein Vereiniger, ein Anziehungspunkt.«

Federico Fellini

 

 


»Wenn es in Märchen Verlage gäbe… sie wären in einer Stadt an einem See gelegen, würden von einem klugen, scheuen Patriarchen und seinem bedächtigen Freund geführt, es gäbe einen Edlen, der die Kraft eines Ritters mit der Bescheidenheit eines Knappen vereint, und eine Prinzessin, die die Gazetten und Journale bezaubert, es gäbe in allen Zimmern Tätige und Tüchtige, bei denen man verweilen und mit denen man reden wollte, und allüberall stünden große Körbe mit rotbackigen Äpfeln. Es wäre wie im Diogenes Verlag.«

Bernhard Schlink

 

 


»Es ist nicht meine Schuld, dass die wenigen Briefe, die ich Ihnen schreibe, Gratulationsschreiben sind. Sie sind selbst schuld. Alles, was Sie machen, machen Sie perfekt.«

Georges Simenon in einem Brief an Daniel Keel


»We have a very friendly relationship I think, and I like it that he rings me on Sundays when we are both working. He treats Sunday like any other day, I mean work in general. It’s a very friendly relationship, that is we both work. Likely that I go to Zurich on business. He was in my house here once only. What else can I say?«

Patricia Highsmith


»Daniel Keel ist der einzige, der noch Verleger ist.«

Heinrich Maria Ledig-Rowohlt


»Ich beobachte den Diogenes Verlag und seine Verleger nun jahrzehntelang: der Verlag, ein Meisterstück verlegerischen Könnens. Ich denke oft, wäre ich Autor, würde ich von Diogenes verlegt sein wollen.«

Siegfried Unseld


»Diogenes ist inzwischen einer der ganz wenigen Verlage, die ihr Gesicht (und ihren Charakter) nicht verloren haben! Das will was heißen.«

Heinz Friedrich

 

 


»An der Spitze des Diogenes Verlags steht Daniel Keel, ein Schlitzohr sondergleichen. Er leidet an einer nicht alltäglichen Obsession: Die zeitgenössischen deutschen Schriftsteller seien allesamt, glaubt er, abscheuliche Langweiler – natürlich mit Ausnahme der Diogenes Autoren. Er liebt, was wir ihm nicht verübeln sollten, unterhaltsame Romane.«

Marcel Reich-Ranicki