Die Sonntagsfrage

Social-Media-Marketing für Verlage, worauf kommt es an?

12. August 2012
von Börsenblatt
Drei junge Buchwissenschaftler haben für den KOSMOS Verlag im Frühjahr eine transmediale Kampagne (inkusive Buchtrailer) für einen Jugendkrimi durchgeführt. Teammitglied Sabine Hafner erzählt in unserer "Sonntagsfrage" über das Projekt und das Marketingpotenzial, das für Verlage in Social Media steckt.

"Das schöne an Social Media ist, dass sie den Verlagen ein sehr breites Spektrum an Möglichkeiten für Marketing bieten. Ob über Weblogs, Foren, Social Networks, Wikis oder Podcasts, ob mit Text, Ton, Bild oder Video – jedes Unternehmen kann nach Lust und Laune sehr individuell auswählen, was zu seiner Arbeit und, noch wichtiger, zu seiner Zielgruppe passt. Denn welche Kanäle und Technologien ein Verlag letztendlich nutzt, hängt vor allem von seiner Zielgruppe ab: Wo hält sie sich im Netz bevorzugt auf? Was macht ihr Spaß und was interessiert sie? Richtet man sich danach aus, lässt sich mit Social Media sehr präzise Kontakt zu potenziellen Endkunden aufbauen – vorausgesetzt natürlich, sie interagieren auch im Netz.

Wer Social Media ernsthaft einsetzen will, sucht oder kreiert also am besten zunächst einmal einen geeigneten Gesprächs- und Aktionsraum, der Spaß oder neugierig macht, unterhält oder unterstützt, wo man sich sowohl über die Buchinhalte als auch darüber hinausgehend austauschen kann. Die Leser von Belletristik, Krimis, Kinder- und Jugendliteratur kann man z.B. mit einer gemeinsamen Lektüre oder Diskussionsrunde oder durch Spiele und weiterführende Inhalte begeistern. Hobbyköche oder -gärtner und Bastler tauschen leidenschaftlich gern Tipps in Form von Text und Bild aus oder lieben es, sich bei Wettbewerben zu messen. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

Social Media-Marketing bietet sich also für jeden an, auch für kleine Verlage. Allein schon deswegen, weil für viele Varianten keine besonderen technischen Voraussetzungen notwendig sind. So kann man auch vorhandene soziale Plattformen und Comunities für sich und seine Ideen nutzen. Man sollte sich davor aber intensiv mit den jeweiligen Richtlinien auseinandersetzten, um rechtlichen Konflikten aus dem Weg zu gehen.

Große Vorteile bei der für Social Media so grundlegenden Dialogstruktur sind vor allem Endkundennähe und -bindung, direkter Kontakt und unmittelbares Feedback, Lob und Kritik. Damit muss man allerdings auch umgehen können. Häufig herrscht die Angst, dass negative Kritik dem Produkt schaden könnte – egal ob es sich dabei etwa um einen Buchtitel oder das Marketingmittel selbst wie eine Website, ein Game oder einen Trailer handelt. Langfristig wird man aber gewinnen – denn man lernt ja direkt von der Zielgruppe, was sie will. Und wer es versteht, auf Kritik souverän zu reagieren, erntet dazu Sympathie.

Ein kleines Beispiel: Wir haben bei unserer Leserunde für den Jugendkrimi von KOSMOS angekündigt, selbst als Privatpersonen mit dabei zu sein. Über unsere Rolle als Moderatoren und Analytiker geriet das aber etwas in den Hintergrund. Prompt meldeten sich enttäuschte Leserundenteilnehmer, die sich wunderten, warum wir uns so selten privat zeigten. Klarer Fall von Negativkritik, aus der man aber sofort lernen und sie somit positiv nutzen konnte. Wir haben uns entschuldigt und sind intensiver in die Diskussion mit eingestiegen – letztendlich war es eine Bereicherung für alle Seiten.

Natürlich kostet das Zeit, keine Frage. Je mehr man an Kundennähe gewinnen will, desto mehr Zeit muss man investieren. Wer ein knappes Zeitbudget hat, sollte deswegen lieber intensiv ausgewählte, zielgruppensichere Kanäle bedienen, als dass er überall nur so halb mit "dabei" ist. Wer sich eine Fangemeinde aufbauen und mit den Endkunden ernsthaft kommunizieren will, der muss dazu regelmäßig Content liefern, zuhören können, ansprechbar sein und vor allem einen Dialog auf Augenhöhe führen – das ist die Quintessenz. Und das kann jedes Unternehmen umsetzen, egal welches Genre im Mittelpunkt steht.

Es reicht beispielsweise nicht aus, einen tollen Buchtrailer zu produzieren und dann zu hoffen, dass ihn die Leute schon anklicken werden. Warum nicht die Weiterverbreitung aktiv über soziale Netzwerke anregen? Feedback einfordern? Vertrieb und Marketing greifen hier über den Share-Gedanken eng ineinander, das kann gerade auch kleineren Unternehmen große Chancen bieten.

In unserem Fall hat das gut funktioniert. Wir haben unseren Trailer zum KOSMOS-Titel 'Disconnected – Da war'n es nur noch drei' von Ina Bruhn bewusst nicht als reinen Werbetrailer, sondern als Rabbit Hole, also als Einstieg in ein Alternate Reality Game (ARG) konzipiert. Dadurch ließ er sich optimal über verschiedene soziale Netzwerke verbreiten, um potenzielle Teilnehmer auf unser Spiel aufmerksam zu machen: Sie konnten bei einer virtuellen Rätselstaffel den Protagonisten des Jugendkrimis bei der Suche nach ihrem verschwundenen Kumpel Jonathan auf diversen Portalen wie einem eigens konzipiertem Blog, YouTube und Facebook helfen. Die Spieler haben sich schnell in die Erzählwelt eingefunden und hatten viel Spaß bei der Aktion.

Wir haben uns gefreut, dass der Verlag den Mut hatte, mit drei Branchennachwuchskräften dieses unbekannte Terrain zu betreten und mit uns eine relativ groß angelegte Marketingkampagne durchzuführen. Der Mut hat sich gelohnt: 'Findet Jonathan!' hat alle Beteiligten begeistert und einen Einblick gewährt, was mit Social Media alles möglich ist."

Sabine Hafner

Sabine Hafner, Hanna Hartberger und Dennis Schmolk, Nachwuchskräfte mit buchwissenschaftlicher Ausbildung, haben sich nach dem Studium als "Die Erzähler" zusammengeschlossen. Für den KOSMOS Verlag führten sie eine Marketingkampagne für einen neuen Jugendkrimi durch. Ziel war es, mit dem Buchtrailer "Disconnected – Findet Jonathan!" gewohnte Wege zu verlassen und ihn anschließend in der gleichnamigen SMM-Kampagne einzubetten, um von der Wechselwirkung zu profitieren.