Gastspiel von Thees Wullkopf zum Thema Lernhilfen

Act local!

24. Januar 2013
von Börsenblatt
Warum sich die Riesen am Nachmittagsmarkt für Lernmaterial die Zähne ausbeißen – und lokale Akteure auftrumpfen. "Local kann Amazon nicht", meint Thees Wullkopf, Geschäftsführer von KiBuLa in Lippstadt, über Chancen fürs Sortiment.

Begegnung auf der Frankfurter Buchmesse: zwei gut gekleidete Herren, Verhandlungssprache Englisch. Sie interessieren sich für das Thema Lernen. Hersteller, wie bereits andere, die ihre Geräte zum Test an unserem Stand abgeladen haben? Nein, sie sind führender Anbieter für Lernsoftware und elektronische Schulbücher in Indien. Ob wir ihnen beim deutschen Markt helfen könnten, fragen sie.

Vertrieblich schon, aber das mit der Herstellung? Deutschland ist föderal, 16 unabhängige Distrikte. Alle mit eigenen Zulassungen, für jedes Fach und jede Schulform. Länderspezifische Lehrmittelfreiheit, not easy. Der Nachmittagsmarkt mit eigenen Verkaufsstrukturen müsse sich an die Abschlüsse und Regionen anpassen, erklären wir. Sehr interessant, ob wir ihnen Zugang zu den Lehrplanvorgaben verschaffen könnten, zeigen sich die Herren unbeeindruckt. Natürlich, die Übersetzung und Ausarbeitung eigener Materialien in die Curricula würde aber einige Wochen in Anspruch nehmen.

Nach dem Abgang sehen wir uns erstaunt auf den über die Visitenkarten hinterlassenen Links um. Vom Kindergarten bis zur Uni: Alle Fächer, Schul- und begleitendes Lernmaterial sind dort vorhanden. Über allem dann Amazon – fragt man Google. Und nun also auch noch die Inder. Zudem suchen die marktmächtigen Schulbuchverlage das Direktgeschäft. Mit mäßigem Erfolg, trotz intensiver Anstrengungen. Woran liegt es? In der individuellen Problematik, im Einzelfall, an lokalen Gegebenheiten.

Da fällt das Stichwort: Lokal. "buy local", der viel beachtete und richtige Weckruf muss sich umdrehen, damit das Konzept aufgeht: "act local" ist die logische Erweiterung. Hier liegt Aufgabe und Chance der Sortimenter: Groß können andere besser. Internet in der Regel auch. Local kann Amazon, kann der VdS, können auch die uns beeindruckenden Inder nicht. Act local meint die lokale Fokussierung meiner Angebote und Dienstleistungen, traditionelle Stärke der Sortimente vor Ort, die im Fokus der Filialisierungs- und Onlinehandelsdebatte aber teilweise in den Hintergrund gerückt ist. Die Menschen lieben ihren örtlichen Buchhändler, der sich kulturell engagiert, in der Werbegemeinschaft führender Kopf ist, sich um Stadthistorie und Lesungen kümmert. All das ruft buy local zu Recht in das Bewusstsein. Act local geht weiter: Ein unübersichtlicher Markt ruft nach Beratung und Dienstleistung. Der Buchhändler kennt Lehrer und Schulen, Zweifel und Sorgen von Eltern und Schülern am Ort und hat den Überblick über den Markt. Nur wer sich intensiv mit diesen Gegebenheiten beschäftigt, kann erfolgreich verkaufen.

Klare Chance und Ansage: Lernhilfen verkaufen sich nicht von selbst. Aber je komplexer das Arrangement und die persönliche Situation der Kunden ausgeprägt sind, umso stärker ist das Verlangen nach dem Sortimenter, dem kenntnisreichen Auswähler, Vorsortierer und Berater. Und es ist seine Sonderstellung im Markt, die ihn abgrenzt. Er sollte wissen, welche Schulbuchreihen welcher Verlage eingeführt sind. Er hält Kontakt zu Schulen und Lehrern, kennt deren Empfehlungen und seine Kunden. Konsequent ausgebaut grenzt ihn das deutlich von allen anderen Anbietern ab. Das kann kein Internet, kein Verlag und auch kein Inder. Hier liegt viel Zukunft für engagierte Lokalisten.

Mehr zum Thema Lernhilfen lesen Sie in unserem heute erschienenen Börsenblatt Spezial (4 / 2013).