Best Practise im Buchhandel

Konzepte gegen die Flaute

9. Mai 2013
von Börsenblatt
Buy local wächst, wehrt Filialisten ab und wird mobil, Unibuch Kassel will seinen Brainstore bundesweit per Franchise an den Start bringen und setzt auf Kundenbindung per Kleinlaster: So geht Buchhandel im Jahr 2013. Bei der Jahrestagung der AWS stellten beide ihre Konzepte vor.

Die Initiative Buy Local gewinnt weitere Mitglieder. Rund 120 Unternehmen hätten sich dem Qualitätsverbund mittlerweile angeschlossen, berichtete Jan Orthey (Lünebuch, Lüneburg) gestern in Kassel – stellte aber zugleich noch einmal klar, dass es nicht darum gehe, mehr und immer noch mehr Unternehmen zu gewinnen. Mitmachen könne nun einmal nur, wer die vom Verein definierten Standards einhalte, so Orthey. Was u.a. zur Folge hat: Dass es auf der Buy Local-Landkarte weiterhin weiße Flecken gibt, die Initiative also nicht überall maximale Aufmerksamkeit erreicht.

Filialisten müssen draußen bleiben? 
 

Dass es im Verbund mit Filialisten schneller ginge, bundesweit Käufer in großem Stil für die Buy local-Idee zu gewinnen – das mag für manche logisch klingen. Und ist doch völlig ausgeschlossen. Orthey gab in diesem Punkt gestern nicht einen Millimeter nach: "Wir haben unsere Entscheidung getroffen."  

Osiander-Geschäftsführer Heinrich Riethmüller hielt dagegen. Die Idee sei gut, lobte er, könne "aber noch mehr Drive bekommen, mit Rückenwind von den Filialisten". Sie völlig auszuklammern und hier nach groß und klein zu sortieren – so zu denken, sei überholt, argumentierte er. Und fragte in die Runde: "Warum können wir nicht mal lernen, dass wir im Buchhandel etwas gemeinsam machen müssen?" Derzeit verfolge jeder seine eigene Buy local-Kampagne (Osiander selbst will im Herbst damit starten) – Riethmüller bedauerte das.    

Was sich bei Buy local sonst noch tut:    

  • Neue Marketingaktionen rollen an (Plakate, Flyer);  
  • die Website (www.buylocal.de) soll zum Marktplatz werden. Das Großprojekt wird den Verein einige Zeit beschäftigen – Monate, voraussichtlich sogar Jahre. Geplant ist, alle Produkte aller Buy Local-Händler in einem Webshop zu vereinen und die Prozesse dann so clever auszusteuern, dass – zum Beispiel – Kunden ein Buch auch sonstwo abholen können, ob bei einer Buy Local-Apotheke oder einem Buy Local-Blumenladen.
  • Voraussichtlich noch in diesem Jahr soll erst einmal ein mobil nutzbares Verzeichnis aller Buy local-Händler entstehen – damit jeder auch unterwegs per Smartphone schnell mal nachschauen kann, welche Händler an einem Ort dabei sind, und was sie bieten.


Ideen gegen die Flaute: Unibuch Kassel    

Nadine Rau und Mike Trepte, Inhaber der Buchhandlung Unibuch in Kassel, stellen sich seit Jahren  immer wieder die gleiche Frage: Wie lange lohnt es sich noch, das Ladengeschäft zu halten? Bisher haben sie sich stets gegen das Aufgeben entschieden – und mit ihren Ideen offenbar einiges erreicht.

Zunächst die Ausgangslage:
Aus einer eigenen Umfrage wissen sie, dass mittlerweile fast 80 Prozent der Kasseler Studenten in erster Linie bei Amazon einkaufen. Außerdem wird seit einiger Zeit bereits direkt vor ihrem Laden gebaut (Campusnähe, 120 Quadratmeter). Beides sind Faktoren auf die sie nur bedingt Einfluss haben  – aber laut Trepte 2012 zu herben Einbußen führten. Ihr Semestergeschäft – mit dem sie übers Jahr etwa Dreiviertel ihrer Bar-Umsätze erwirtschaften – rutschte um 20 bis 25 Prozent in den Keller. So kam es zu der Situation, dass zwar das Rechnungsgeschäft weiter zulegte (Anteil am Unibuch-Umsatz insgesamt: 80 Prozent), aber das Loch in der Ladenkasse zusehends größer wurde. Die Konsequenz von Trepte: "Wenn die Leute nicht zu uns kommen, müssen wir zu den Leuten."  

Unibuch-Idee 1: eine mobile Buchhandlung

Als erstes organisierten sich Rau und Trepte die richtige Hard- und Software – ihre mobile Buchhandlung sollte alle Services bieten, die auch im Laden möglich sind (Bücher bestellen etc.). Anschließend organisierten sie sich einen Transporter, bauten ihn zum Bücherbus um – mit Regalen, einer Leseecke, einem Drehständer zum Rausklappen. Im Juni 2012, zum Start der Documenta, ging es in die Vollen, und mitten hinein ins Kunstgetümmel: an 90 der 100 Documenta-Tage waren sie mit ihrem Bus dabei. Treptes Bilanz: "Dadurch konnten wir die Umsatzrückgänge im Laden mehr als kompensieren."

Unibuch-Idee 2: der Brainstore

Dass Idee Nummer 1 gut ankam, löste allerdings noch nicht das Problem der sinkenden Kundenfrequenz im Laden. "Wir haben extrem viel remitiert und wenig eingekauft", so Trepte gegenüber seinen Kollegen von der AWS.

Rau und Trepte entschieden sich deshalb für eine weitere Studentenumfrage, die Trepte zufolge mit dem Fazit endete: "Unibuch ist für sie nicht gerade sexy." Doch dagegen lässt sich ja was tun – zum Beispiel mit einem klar definierten Zusatzsortiment, dass studentischen Kunden (jenseits ihrer Uni-Pflichten) Spaß verspricht und idealerweise auch noch weitere Kundengruppen in den Laden zieht: Soweit der Plan.

Passiert ist dann folgendes: Die Unibuch-Inhaber räumten einen Teil ihres Ladens (ca. 30 von 120 Quadratmeter) frei und eröffneten dort im Oktober vergangenen Jahres einen Shop-in-Shop – den Brainstore. Hier gibt es alles, was müde graue Zellen wieder munter macht: einige Bücher, vor allem aber Spiele (die direkt ausprobiert werden können). Trepte: "Wir haben bewusst solche Spiele ausgesucht, die man nicht kennt oder beim Discounter billiger bekommt." Nach einem guten halben Jahr stehe für ihn fest, dass "wir erreicht haben, was wir erreichen wollten." Im Laden herrsche wieder mehr Bewegung.  

Apropos Bewegung: Die Bücherbus-Idee greifen die Unibuch-Inhaber für den Brainstore jetzt erneut auf – sie haben sich einen weiteren Transporter zugelegt (im Look eines flinken, italienischen Gemüselasters). Zum ersten Mal soll der mobile Brainstore zum Hessentag ausrücken (eine Großveranstaltung über mehrere Tage, zu der im Schnitt rund eine Million Besucher kommen).    

Den Begriff Brainstore haben sich rau und Trepte längst als Marke gesichert, wollen mit dem Modell – wenn sich die Sache weiterhin so positiv entwickelt (Testzeitraum bis Ende 2013) – im kommenden Jahr sogar bundesweit damit antreten. "Wir planen ein Franchise-System, vorzugsweise im Buchhandel", sagte Trepte.  


Die Jahrestagung der AWS (Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Fach- und Sortimentsbuchhandlungen), bei der Jan Orthey und Mike Trepte als Referenten dabei waren, ging nach drei Tagen gestern in Kassel zu Ende (weitere Meldungen dazu: siehe Archiv, unten).