Interview mit Regine Lemke

"Ihr schafft den Neuanfang!“

18. Juli 2013
von Börsenblatt
Nach der Flut: Regine Lemke, Geschäftsführerin des Landesverbands SaSaThü und Vorstandsmitglied im Sozialwerk des Deutschen Buchhandels über Hilfe zur Selbsthilfe und die Solidarität der Branche.

Nach der „Jahrhundertflut" von 2002 ist die Branche erneut vom Hochwasser betroffen. Wie fällt die Schadensbilanz aus?Gestern haben wir im Vorstand des Sozialwerks die eingegangenen Schadensmeldungen gesichtet und über die Verteilung der Spendenmittel beraten. 2002 waren rund 35 Buchhandlungen betroffen, diesmal sind es 14 Firmen in Mitteldeutschland und zwei in Bayern. Nicht berücksichtigt haben wir bei der ersten Schadensauflistung Buchhandlungen, bei denen es aufgrund zeitweiliger Evakuierung zwar zu Verdienstausfällen gekommen ist, die aber keine nennenswerten materiellen Schäden zu beklagen haben. Dort können wir nur in sozialen Härtefällen helfen. Die Warenbestände konnten durch das rasche Handeln der Kollegen und vieler Helfer zwar zum größten Teil gerettet werden, die Schäden an Gebäuden, Ladeneinrichtungen und technischer Ausrüstung sind jedoch zum Teil so gravierend, dass ihre Beseitigung Monate dauern wird. Gerade für die Firmen, die es nun schon zum zweiten oder gar dritten Mal getroffen hat, ist die Situation dramatisch.

Welches Ziel verfolgen Sie?Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe leisten und den geschädigten Kollegen Mut machen: Ihr schafft den Neuanfang, gemeinsam überstehen wir auch diese Katastrophe! Bezeichnender Weise hat nach der Flut 2002 nicht eine der betroffenen Buchhandlungen geschlossen – genau das ist auch jetzt unser Ziel.

Kommt die Hilfe nur Börsenvereins-Mitgliedern zugute?Nein, es gibt auch wenige Fälle, in denen Nicht-Mitglieder auf tragische Weise betroffenen sind. So hat sich eine Buchhändlerin in Döbeln erst letzten September selbständig gemacht, nun war bei ihr Land unter – auch sie soll Unterstützung durchs Sozialwerk bekommen. Wir wollen alle Betroffenen gleich behandeln.

Konnten Sie in Ihrer Hilfsarbeit von den 2002 gemachten Erfahrungen profitieren?Auch wenn das in den Ohren der Betroffenen merkwürdig klingt – der Umgang mit der Katastrophe lief routinierter ab, es war gewisser Maßen eine „Flut mit Ansage". 2002 war alles neu für uns, bis hin zur Entwicklung von Schadensformularen. Das gab es jetzt alles; wir haben in kürzester Zeit die Buchhandlungen in den Flutgebieten abtelefoniert, Verlagsvertreter oder Freunde angesprochen – so konnte ich die meisten Buchhändlerinnen und Buchhändler auf ihren privaten Handys erreichen. Informationen zugänglich machen, Öffentlichkeit herstellen – mit der gewachsenen Bedeutung des Internets ist auch das wichtiger geworden. Wir haben uns deshalb bemüht, die Listen der Betroffenen möglichst rasch ins Netz zu stellen; via Facebook oder Twitter konnte dann direkt Hilfe untereinander koordiniert werden.

Was wird jetzt am meisten benötigt?Es klingt banal, aber die Antwort ist: Geld, Geld, nochmals Geld! Die nach Wasserständen von bis zu 1.80 Metern nicht selten komplett zerstörten Läden müssen flott gemacht werden, das wird Baubetriebe und Handwerker aller Gewerke über Monate auf Trab halten und ist sehr kostenintensiv. Dazu sind die wenigsten Kollegen gegen Hochwasserschäden versichert.

Wie schätzen Sie die Reaktion der Branche ein?Extrem solidarisch! Bei allen Diskrepanzen im Alltagsgeschäft steht man im entscheidenden Moment zusammen. Es ist ein gutes Gefühl, dazuzugehören.

Eine Reportage über die Aufräumarbeiten der vom Hochwasser betroffenen Buchhandlungen lesen Sie im Börsenblatt Heft 29, das am 18. Juli erscheint.