"Jammert nicht, wenn Buchhändler euch meiden"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
"Digitale Produkte sind zweifach weit weg von der Provinz: Sie sind mit Händen nicht greifbar, und man kann sie auch nur schwierig im Laden verkaufen", meint Martina Bergmann, Buchhändlerin in Borgholzhausen. Was kann ein Sortimenter tun, um im virtuellen Treibsand nicht verschüttet zu werden?

Hinzu kommt, dass der virtuelle Lektürebetrieb sich rasant entwickelt. Wo bleibe ich als Buchhändler? Wie mache ich mich bemerkbar, und womit verdiene ich in diesem Segment mein Geld?

Erste Baustelle, Ebooks und Lesegeräte. Eine Weile sollte man den White-Label-Shop seines Barsortiments buchen und Lesegeräte vom Verband anbieten. Das ist zwei Jahre her, und ich erinnere mich vor allem, dass es plötzlich ebook.de gab. Ein Hohngesang auf jede schöne Rede vom unabhängigen Sortimentsbuchhandel.

Amazon machte einfach immer weiter, ohne sich um unsere Meinungen und Experimente zu scheren. Fakt: Sie haben die besten Geräte, und sie haben das größte Angebot. Da digitale Produkte nicht gelagert und herumgefahren werden, kann man sich auf das moralische Argument kaum zurückziehen. Man kann sich nur immer fragen: Wo ist meine Nische? Wo habe ich als Kleinstanbieter eine Chance? Was kann ich, und wie mache ich das bekannt?

Ich kann aus meiner KNV-Bibliographie Ebooks verkaufen. Ebooks gegen Bargeld, die Kunden wählen hier im Laden Titel aus und erhalten per Email einen Link mit dem erworbenen Buch. Das ist ein umständlicher Weg, aber er liegt Kunden, die im Internet noch nicht zu Hause sind. Dieser Weg gefällt auch denen, die sich digitalen Bezahlversionen verwehren. Beide Zielgruppen zusammen bilden ein nicht so kleines Publikum.

Nächster Schritt, welches ist das passende Lesegerät für meinen Kundenkreis: Eher älter, durchaus belesen und nicht mittellos? Ich finde den Sony Reader schön, weil er rot ist, und das ist das Ende meines Wissens. Aber ich habe einen super Nachbarn. Er verkauft Telefone und Computer und jetzt eben auch Lesegeräte. Es ist für die Kunden und für mich besser, wenn sie ihre technischen Fragen von einem Experten beantworten lassen. Es ist außerdem eine schöne Möglichkeit, sich in der Kaufmannschaft zu verknüpfen.

Dann, drittens, wie macht man das bekannt? Ich finde Informationsveranstaltungen gut. Ein Abend in Ihrer Buchhandlung: Kommen Sie vorbei, fragen und berichten Sie. Solche Termine sind nicht aufwändig: Pressetermin eine Woche zuvor, Stühle aufstellen, Getränke kaufen. Wir nehmen hier keinen Eintritt, aber wir freuen uns, wenn Sie ein Buch entdecken.

Solche Begegnungen bescheren einem viel Wissen − Über den Kenntnisstand der Kunden, aber auch über das irritierende Verhältnis vieler Menschen zum Wert der Kompetenz. Ich finde ja nicht schlimm, dass Leute sich in der Stadtbücherei Ebooks ausleihen. Aber ich bin nicht zuständig, die dort anfallenden Schwierigkeiten zu beheben. Ich verstehe auch nicht, dass dieselben Stadträte, die rhetorisch immerzu den Einzelhandel stärken, zehntausende Euros für digitale Einkäufe bei der Ekz bewilligen.

Neues Wissen auch durch sich rasant wandelnde publizistische Gebräuche: Als Taschenbuch angekündigte Genre-Titel erscheinen auf einmal digital: Vampirroman, Folge 28 nur mehr als Ebook. Liebe Verlage, ich kann mir vorstellen, wie das zustande kommt. Aber wie sag ich's meinem Kunden? Liebe Self Publisher: Create Space mag praktisch sein. Es reduziert jedoch die Wahrscheinlichkeit, im Buchladen angeboten zu werden auf infinitesimal über Null. Wir mögen Kleinstverlage, wir mögen auch Ebookverlage. Doch das geht prächtig ohne Amazon.

Liebe Blogger, Plattformer, Wohnzimmerlesungsabenteurer: Ich lese gerne, was Ihr macht, und deswegen sehe ich, wenn da steht − Kaufe diesen Titel bei Amazon, und ich erhalte siebeneinhalb Treuepunkte. Noch übertroffen durch: Ich weiß, dass es unethisch ist und den Buchhändler an der Ecke schädigt, trotzdem gönn ich mir einen Link. Meinetwegen. Aber jammert nicht, wenn Buchhändler euch meiden. Ihr müsst dann weiter mit dem Computer schmusen. Der spendet weder für den Sportverein, noch hat er Praktikumsplätze für Eure Kinder. Man sieht sich immer zweimal, und selten passte das so schön wie bei den Onlinern.

Noch einmal zurück zur Ausgangsfrage: Was kann ein Buchhändler tun, um im virtuellen Treibsand nicht verschüttet zu werden? Erst einmal: Sichtbar sein. Warum nicht selber bloggen? Wordpress ist noch leichter als Facebook, das ist ein prima Einstiegsmedium. Und dann: Sich informieren und sortieren. Beobachten – Was verlangen die Kunden neuerdings? Was kann ich davon? Und von dem, was ich nicht kann – Was können meine Kollegen in der Nachbarschaft? Der Kunde, der bei Amazon ein Konto anlegt, ist weg. Der Kunde, der beim Nachbarn seinen Ebook-Reader kauft, ist einfach nur zehn Meter weiter.