Interview mit Hinrich Schmidt-Henkel, Erster Vorsitzender des VdÜ

"Miteinander finden wir eine vernünftigere Lösung als die Gerichte"

11. März 2014
von Börsenblatt
Der Verband der Literaturübersetzer (VdÜ) und eine Gruppe von Verlagen unter Federführung des Hanser Verlags haben zwar Gemeinsame Vergütungsregeln ausgehandelt – aber noch steht die Zustimmung der VdÜ-Mitglieder aus. Zudem waren viele Großverlage nicht an den Gesprächen beteiligt. Boersenblatt.net hat mit Hinrich Schmidt-Henkel, dem Ersten Vorsitzenden des VdÜ, über Inhalte und Chancen der Einigung gesprochen.
Nach jahrelangen Verhandlungen und diversen Gerichtsentscheiden haben sich der VdÜ und einige Verlage nun endlich auf Vergütungsregeln geeinigt. Was hat den Ausschlag gegeben?
Ich glaube, ganz schlicht Vernunft, das Wissen, dass wir miteinander eine klügere Lösung finden können als alle Gerichte, und dass das sinnvoller und sicherer ist, als mit allerlei juristischem Finassieren unter dem geltenden Recht durchzutauchen, wie es viele Verlage leider tun.

Wirklich glücklich können Sie kaum sein, sämtliche Großverlage waren nicht an den Gesprächen beteiligt und sind daher nicht an die Vereinbarung gebunden.
Ich bin mit dem, was wir ausgehandelt haben, sehr zufrieden, weil es gemeinsam mit Verlagen zustande kam, als fairer Interessenausgleich. Andererseits ist es in der Tat nur eine kleine Gruppe von Verlagen, mit der wir verhandelt haben. Viel besser wäre natürlich eine Vereinbarung, hinter der die gesamte Branche stünde. Daran müssen wir jetzt arbeiten, indem wir allen Verlagen klarmachen, dass es sich lohnt, zu unterschreiben. Ich glaube, dass die Vereinbarung das Zeug hat, auch andere zu überzeugen, unter anderem, weil wir nur so endlich zu Rechtssicherheit und Branchenfrieden gelangen.

Wie groß ist die Gruppe von Verlagen, mit der Sie gesprochen haben?
Es handelt sich, angeführt von Hanser, um etwas mehr als eine Handvoll Verlage. Aber ich gehe davon aus, dass diese Gruppe weiter wächst bis zu unserer Mitgliederversammlung am 29. März, auf der wir über die Vergütungsregel abstimmen wollen – und auch danach.

Steht nun also eine zweite Verhandlungsrunde an – mit Random House, Piper, Rowohlt und anderen großen Konzernverlagen?
Wir haben mit denen verhandelt, die verhandlungsbereit waren. Das waren Verlage, die sich durch Taschenbuchlizenzen refinanzieren und dadurch von den BGH-Urteilen besonders stark belastet waren. Sie hatten einfach ein starkes Motiv, mit uns zu sprechen. Andere haben sich bislang eher zurückgelehnt. Es bringt nichts, jemanden an den Verhandlungstisch zu zerren. Wir werden dennoch auf diese Verlage zugehen und wir hoffen, dass sie sich der Vereinbarung letztlich anschließen.

Wird es im Ergebnis möglicherweise zwei unterschiedliche Vereinbarungen geben müssen?
Abwarten. Unser Ziel war eine Vergütungsregel, die zu allen passt. Darum enthält diese auch Punkte, die auf die Belange der Konzernverlage zugeschnitten sind, sozusagen vorsorglich und um unsere Einladung zur Mitwirkung zu substantiieren. 

Es lag schon einmal eine ausgehandelte Vereinbarung vor. Die Mitgliederversammlung der Übersetzer hat diese aber abgelehnt. Das könnte jetzt wieder passieren.
Das ist möglich, ja. Aber ich kann mit guten Argumenten und mit gutem Gewissen für diese Vereinbarung werben. Es gibt darin Dinge, für die wir über unseren Schatten springen mussten, aber ebenso die Verlage.

Große Streitpunkte waren Nebenrechts- und Absatzbeteiligung. Worauf haben Sie sich einigen können?
Wir haben bei den Nebenrechtsbeteiligungen im Vergleich zu dem, was der Bundesgerichtshof (BGH) uns zuspricht, ganz erhebliche Abstriche gemacht. Er gibt uns ein Fünftel des Autorenanteils. Und sofort geht der justistische Hickhack wieder los: Alle Welt wusste jahrezehntelang, was der Autorenanteil ist, doch nach den BGH-Urteilen wurde sogleich versucht, den zu unseren Ungunsten umzudichten und kleinzurechnen. Die neue Vergütungsregel löst sich davon und bezieht die Übersetzerbeteiligung bei den Nebenrechten auf die Gesamtlizenz: 5 Prozent davon sollen die Übersetzer bei den Taschenbüchern bekommen. Nach BGH wären es umgerechnet 12 bis 14 Prozent von der Gesamtlizenz.

Und welche Regelung haben Sie hinsichtlich der Absatzbeteiligung getroffen?
Die Beteiligungsschwelle liegt nicht bei 5.000 Exemplaren, wie vom BGH vorgesehen, der ab dieser Schwelle 0,8 Prozent vom Nettoladenpreis festlegt. Wir haben jetzt eine Beteiligung von einem Prozent ab dem ersten verkauften Exemplar vereinbart. Dann gibt es jedoch eine Absenkung: ab 5.000 Exemplaren auf 0,8 Prozent und ab 10.000 Exemplaren auf 0,6 Prozent. Es wird nicht leicht sein, das den Mitgliedern zu vermitteln. Aber das ist einer der Punkte, wo wir den Erfordernissen der Konzernverlage entgegenkommen. Wir haben durchaus an diese Verlage gedacht. So gibt es zum Beispiel auch eine Vereinbarung, die den Bestsellerfall regelt: Wenn ein Vertrag nach dieser Vergütungsregel abgeschlossen wird, kann es auch im Bestsellerfall zu keinen Nachforderungen mehr kommen.

Welche Rolle haben die Gerichtsentscheide gespielt – als Orientierung und womöglich auch als Druckmittel?
Die BGH-Urteile sind bislang geltendes Recht – das ist nicht zu negieren. Es war jedoch immer meine Überzeugung, dass wir als Branche etwas Sachgerechteres und Vernünftigeres aushandeln können als jedes Gericht. Und genau das haben wir getan. Die Urteile sind mithin durchaus ein Maßstab für uns gewesen, eine Folie, vor der wir verhandelt haben. Das hat aber nicht dazu geführt, das wir ständig auf die von den Richtern getroffenen Regelungen gestarrt haben, sondern wir haben etwas gestaltet, das in den Einzelpunkten und als Gesamtpaket ausgewogen und richtungsweisend ist, für beide Seiten.

Interview: Holger Heimann