Eine Liebeserklärung das Buch

Die Bücherstaffel

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Verleger Jochen Jung liebt Buchmessen, früher war er am liebsten mehrfach im Jahr auf Achse. "Messe, das waren die Leute: nicht das Publikum", sagt Jung und gesteht: Heute fährt er vor allem wegen der Bücher hin. "Meine Liebe zu diesen kleinen viereckigen Dingern von unterschiedlicher Korpulenz ist dauerhaft und verlässlich." Ein Liebesseufzer.

Immer schon war ich ein ausgemachter Freund der Buchmessen, Frankfurt oder Leipzig, egal. Auf den Messen traf man all die, die man Gott sei Dank sonst nicht sah, dann aber gern. Ein- oder zweimal im Jahr, das musste sein, und sei es nur, damit man einander nicht vergaß. Messe, das waren die Leute: nicht das Publikum – in einer Branchenzeitschrift darf man das hoffentlich sagen –, aber die lieben Kollegen. Sie zu treffen, war immer die Reise wert gewesen, auch wenn man sich grad mal am Gang oder auf einer Party getroffen und kaum ein paar vernünftige Sätze miteinander gewechselt hatte. Es wird ja oft spät an Messetagen, und da bleibt nicht nur kein Auge trocken. Messen haben auch etwas Libertinöses.

Ich liebe die Messen immer noch und freu mich auch immer noch auf die Kollegen. Aber ich gestehe, mit zunehmendem Alter sind meine besonderen Freude die Bücher. Im Ernst. Wenn in Frankfurt 5.000 Aussteller gezählt werden, dann wahrscheinlich 500.000 Bücher, aber Gott sei Dank zählt die ja niemand. Ich gehöre nicht zu denen, die am Messeende sagen, und ich hab das gehört: Ich kann jetzt keine Bücher mehr sehen. Im Gegenteil: meine Liebe zu diesen kleinen viereckigen Dingern von unterschiedlicher Korpulenz ist dauerhaft und verlässlich.

Natürlich weiß ich, dass es viel zu viele gibt, die nicht einmal so tun, als stecke in ihnen nicht das nackte Grauen, und damit meine ich jetzt nicht solide Thriller, sondern miserable, sprach- und formverachtende Literatur, die gar keine Literatur ist, sondern einfach Mist, der seine Existenzberechtigung nur dadurch hat, dass er die der Buchhändlerin hoffentlich stärkt. Er ist eine Art Dünger für Besseres. Der Buchhandel, das wissen wir ja, lebt nicht zuletzt vom schlechten Geschmack des Publikums. Wir arbeiten trotzdem daran, dass es sich bessert, da sägt die Buchhändlerin gern am eigenen Stuhlbein.

Kleine Verlage können sich solche Bücher gar nicht leisten. Darum und weil sie in ihren Programmen oft seltsame Nebenwege suchen, muss man sie einfach gern haben, finde ich. Ihren Büchern sieht man das Abseitige oft schon von weitem an, grad dass sie noch vier Ecken haben. Ihr Dasein bestätigt unser eigenes Streben nach Individualität, die alle Verlagsmenschen und alle mistfreien Bücher auszeichnet. Autoren, Verlagsleute, Buchhändler und Leser: Das ist eine Staffel von Einzelgängern, und das Buch ist die Stafette, die der eine an den anderen weitergibt und die sie alle miteinander verbindet. Kein Wunder auch, dass man sich in Büchern so oft wiedererkennt.

Natürlich kann man als Bücherfreund auch jederzeit in die Lesesäle der großen Bibliotheken gehen, da gibt es auch viel Buch, obendrein sanktioniertes. Auf Messen aber ist alles neu, es duftet nach Risiko und Abenteuer und hat zugleich alle Anzeichen des Unermüdlichen und der Neugier.

Und so wünschen wir uns doch auch das Leben, und selbst wenn wir es uns nicht so wünschen: so ist es. Eher eckig als rund. Eher riskant als abgesegnet, und eher voller Überraschungen als das Übliche. Und das Tolle ist: man kann es als Buch für wenig Geld kaufen.