Kein Ende in Sicht

Die Auswirkungen des Poststreiks auf den Buchhandel

26. Juni 2015
von Börsenblatt
Deutschland ist mittlerweile streikerprobt: Nach den Lokführern und den Erziehern legten jetzt die Mitarbeiter der Deutschen Post die Arbeit nieder – und das bereits vor mehreren Wochen. Ein Ende ist bisher nicht in Sicht. Wie wirkt sich der Streik auf den deutschen Buchhandel aus? boersenblatt.net hat nachgefragt.

Schaut man in den letzten Tagen auf der Facebook-Seite der Deutschen Post vorbei, möchte man fast schon Mitleid mit den Social Media Team des Unternehmens haben. Es hagelt im Minutentakt Beschwerden über nicht zugestellte Post. Immer im Fokus der Aufmerksamkeit ist dabei die eigene Meinung zum gefühlt 100. Streik in diesem Jahr, wobei sich die Bevölkerung zumindest online überwiegend auf die Seite der Streikenden stellt. Das Verständnis für die Arbeitsniederlegung ist da, für die ausbleibenden Briefe und Pakete eher nicht.

Stefan Heß, Sprecher der Deutschen Post: „Die Auswirkungen des Streiks sind moderat. Circa 80 % der Lieferungen werden pünktlich zugestellt." Allerdings räumt er dabei auch regionale Unterschiede in der Streikbeteiligung ein, sodass einige Gebiete trotz der Ausgleichsmaßnahmen der Post stärker als andere betroffen sein können.

Die Deutsche Post versucht unter anderem durch zusätzliche Transporte, externe Dienstleister, die freiwillige Hilfe von Verwaltungsangestellten und andere Maßnahmen, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Für die Kunden entstehen durch die Ausgleichsmaßnahmen keine weiteren Kosten. Für den E-Commerce waren die Auswirkungen seit Streikbeginn allerdings beachtlich. Im Vergleich zur Vorstreikwoche sei bei den insgesamt rund 9.000 erfassten Online-Shops zum 16. Juni ein Rückgang um 12,2 % bei den Online-Bestellungen zu verzeichnen gewesen, so Olaf Brandt (Director Customer Acquisition & Communications) von etracker, Anbieter von Web-Controlling Produkten und Dienstleistungen.

Auf die Frage, ob Amazon von DHL einen besonderen Service genießt, antwortete Heß: „Natürlich tragen wir keine Vertragsmodalitäten nach außen. Allerdings bieten wir besondere Dienstleistungen an, bei denen wir alles Menschenmögliche unternehmen, um die Post zuzustellen. Diese Laufzeitverträge werden extra ausgehandelt und gelten für alle Sendungen.

Auch René Kohl spürt als Inhaber der Berliner Versandbuchhandlung Kohlibri die standortabhängigen Auswirkungen des Streiks: „Seit dem 8. oder 9. Juni gibt es hier überhaupt keinen Posteingang mehr. Die Postzustellung klappt nicht, wenn man an der falschen Stelle des Landes sitzt." Anders hingegen sei es seiner Erfahrung nach mit Paketen. Hier hat der Buchhändler aufgrund der Nachverfolgungsmöglichkeit den Eindruck, dass die Zustellungen entsprechend der Postaussagen ankämen. Der Buchhändler spürt trotzdem einen deutlichen Rückgang bei den Bestellungen. Ob die Kunden bereits mit den Auswirkungen des Streiks rechnen und sich daher Alternativen suchen, wisse er nicht. Trotzdem hat er jüngst reagiert und sich als Börsenvereinsmitglied für einen Versand mit Sonderkonditionen über den Paket- und Expressdienstleister DPD entschieden.

Bei Klaus Kowalke in der Buchhandlung Lessing und Kompanie bleibt der Briefkasten seit dem 9. Juni ebenfalls leer. Weder Verlagspost noch Rechnungen oder Buchsendungen finden den Weg in die Chemnitzer Buchhandlung. Auf der Ausgangspost bleibt der Buchhändler auch sitzen, solange er sich nicht für eine teurere Alternative entscheidet, deren Kosten er selbst tragen muss. „Meine Kunden haben bei Rückfragen für die Situation aber Verständnis, schließlich sitzen wir im selben Boot", so Kowalke.

Anders sieht es bei Lars Baumann aus, Inhaber der Buchhandlung Zweitbuch in Oberhausen. Der Buchhändler registriert im Tagesgeschäft keine Auswirkungen des Streiks: „Ich hätte mit viel längeren Laufzeiten der Post gerechnet, dabei läuft hier alles relativ normal. Sogar die Pakete aus den Streikbrennpunkten kommen an", freut sich Baumann.

Michael Lemling, Geschäftsführer der Buchhandlung Lehmkuhl in München, bemerkt zwar einen leichten Rückgang der Geschäftspost, das hat aber keinen Einfluss auf das tägliche Geschäft. Er habe bisher immer alles Wichtige erhalten: „Es gibt außerdem trotzdem ausreichend Arbeit auf dem Schreibtisch", lacht Lemling. Bei wichtiger Post geht er allerdings auf Nummer sicher und entscheidet sich für die deutlich teurere Alternative DHL Express, bei der die Post unter Garantie kommt.

Olaf Brandt gab in dieser Woche zumindest für den E-Commerce eine vorsichtige Entwarnung, obwohl bisher kein Streikende in Sicht ist: „Die vergangene Woche sah wieder besser aus: +19 % gegenüber der Vorwoche, also wieder knapp über dem Vorstreik-Niveau. Gewöhnlich flacht das Niveau zum Sommer hin ja eher ab. Da haben sich wohl einige Transaktionen verschoben. Insofern sieht es momentan nach Entwarnung für den E-Commerce aus". Für die vom Streik betroffenen Buchhändler ist das kein Trost, die werden weiterhin auf ihre Post warten und das Verständnis von Lieferanten und Kunden hoffen müssen.