Antiquariat

Ungeahnter Preisanstieg bei antiquarischen Büchern?

4. April 2019
von Börsenblatt
In einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" verknüpft Jens Jessen den Preisanstieg für bestimmte antiquarische Bücher mit der These eines allgemeinen Bildungsverfalls.

Jessens Beitrag (siehe hier) konstatiert für einige Bereiche des Antiquariats ("alles irgendwie Entlegene und Exquisite") teils deutliche Preisanstiege und eine Verknappung des Angebots auf dem Markt: "Der Befund galt nicht nur für Erstausgaben, signierte Exemplare und anderes, was sich nun einmal nicht digital reproduzieren lässt. Er betraf auch das Randständige, die Seitenzweige der Literatur, all das nicht oder nur halb kanonisch Gewordene. Wer würde sich noch, so hatten die Büchernarren gedacht, zum Beispiel für Cassius Dio, Polybios oder Aurelius Victor interessieren, überhaupt die weniger bekannten griechischen und römischen Autoren? Nun, leider mehr Käufer als genug, um die Preise in die Höhe zu treiben bei sinkendem Angebot."

Als Hintergrund dieser "ärgerlichen Konjunktur" macht Jessen nicht nur fehlende Neu- beziehungsweise -nachdrucke, sondern auch ein verändertes Verhalten der heutigen Erbengeneration aus: "Neu gedruckt werden die entlegenen Klassiker heute nicht, und die alten Ausgaben strömen nicht mehr so zuverlässig wie ehedem aus Professorennachlässen und aufgelösten Bildungshaushalten in die Geschäfte. Und warum nicht? Ganz einfach: weil sie weggeworfen werden. Die Erben kommen nicht einmal mehr auf die Idee, sie für verkäuflich zu halten."

Jessens düstere Schlussfolgerung: "Der Bildungsverfall entwertet die Bücher nicht, er vernichtet sie; und um den knappen Rest prügeln sich die happy few – auch dies eine Form der Marktbereinigung, die Zukunftsperspektiven hat: nämlich auf das heraufdämmernde Zeitalter der Barbaren."

Über Jessens sehr knappen Ausführungen, die auf die Veränderung des Antiquariatshandels als Branchenzweig des Buchhandels praktisch gar nicht eingehen, kann man sicher streiten. Nachdrucke "on demand", wenn auch vermutlich oft von minderer Qualität, sind ja eigentlich allgegenwärtig in den Bücherdatenbanken. Wie belegt man breitere Preisanstiege für bestimmte Antiquariatssegmente über Einzeleindrücke hinaus? Und woher weiß man, dass Bücher aus aufzulösenden "Bildungshaushalten" tatsächlich großflächig weggeworfen werden? Weil sie keine ISBN haben und deshalb nicht an Momox verkauft werden können? Dennoch: ganz abwegig scheinen Jessens Beobachtungen nicht, und sie weisen darauf hin, dass die zukünftige Geschichte des Antiquariats vielleicht doch anders erzählt werden wird, als es gegenwärtig meist geschieht …