Connewitzer Verlagsbuchhandlung erhält Sächsischen Verlagspreis

"Small is necessary"

2. Mai 2019
von Nils Kahlefendt
Sekt statt Fettbemmen: Am 30. April wurde in den Leipziger Salles de Pologne der Sächsische Verlagspreis 2019 an Peter Hinke und seine Connewitzer Verlagsbuchhandlung überreicht.

In zweifelhaften Fällen, so wusste schon Karl Kraus, entscheide man sich für das Richtige. Rund 140 Verlage gibt es in Sachsen; die Hälfte davon sitzt in Leipzig, geschätzt ein Viertel in Dresden und Chemnitz. Nur wenigen gelingt es, über die Region hinauszustrahlen, in der sie verwurzelt sind. Die Connewitzer Verlagsbuchhandlung (cvb) schafft das regelmäßig, und so lagen Jury und Stifter goldrichtig mit der Entscheidung, den in diesem Jahr zum zweiten Mal ausgelobten, mit 10.000 Euro dotierten Sächsischen Verlagspreis an den Leipziger Buchhändler, Verleger und Herausgeber Peter Hinke zu vergeben.  

Hinke, 1966 in Leipzig geboren, bietet seit fast 30 Jahren Autoren unterschiedlichster Generationen eine verlegerische Plattform, nicht wenige später bekannte Namen wie Ulrike Almut Sandig, Kerstin Preiwuß oder Mara Genschel debütierten hier. Diverse Preise der Stiftung Buchkunst zeugen von der ausgesprochen soliden Gestaltung der Bücher und Reihen. Über Jahrzehnte hat Hinke zudem die enge Verbindung von Verlag, Buchhandlung und literarischem Veranstaltungsprogramm vorgelebt – dafür wurde er 2015 mit dem Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung, 2015, 2016 und 2018 mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet.

"Small is necessary"

Dass Peter Hinke eigentlich für selbstverständlich hält, wofür er nun schon wieder geehrt wird − darauf machte in seiner Laudatio der Anglist Elmar Schenkel aufmerksam, der vom Kunden ("Ich gehe jeden Tag einmal in seinen Laden, das ist schon physiologisch notwendig") zum Freund und cvb-Autor wurde. In liebevoll gezeichneten Details malte der Wessi Schenkel die in der Stadt schon fast als mythisch geltende, hoffentlich bald einmal zwischen Buchdeckeln nachzulesende Ossi-Saga aus: Vom Fußball-Fanzine "Ballermann", das der in der Deutschen Bücherei lernende Sport-Aficionado Hinke heimlich herausgab, über die Untergrundzeitschrift "Sno’boy" (Auflage: 50 handgefertigte Exemplare) bis zum Umzug in die Innenstadt oder die Gründung des Beiboots "Wörtersee" jenseits des Stadtrings. Die alternative 70er-Jahre-Losung small is beautiful reiche heute allerdings längst nicht mehr und müsste eigentlich, so Schenkel, dringend durch small is necessary ersetzt werden. Als Gewährsmann diente ihm wieder einmal der große Kurt Wolff: "Man wird im allgemeinen feststellen", dekretierte der, "dass die Bücher der großen Autoren nicht bei den Monster-Unternehmungen erschienen sind, und literarisch wichtige Bewegungen von kleinen Firmen, das heißt von individuellen Verlegern getragen und entwickelt wurden."  

Sekt statt Fettbemmen

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig ließ in seiner Rede ahnen, dass in der Buchwelt des Freistaats aktuell nicht alles eitel Sonnenschein ist; bei der anstehenden Schuldentilgung nach der KNV-Pleite sitzen gerade kleinere Verlage auch hier wohl eher am Katzentisch. Unverschuldet in Schieflage Geratenen riet Dulig zur Kontaktaufnahme mit dem Beratungszentrum Konsolidierung der Sächsischen AufbauBank. Im Vorfeld der vom Welttag des Buches auf den Vorabend der Eröffnung der Insolvenzverfahren gegen die KNV-Gruppe am Amtsgericht Stuttgart verschobenen Preisverleihung hatte Hinke den beiden federführenden Dresdner Ministerien vorgeschlagen, die Zeremonie finanziell kleinzuhalten und das dafür eingesparte Geld an Geschädigte der Pleite des Buchgroßhändlers zu spenden. Aus dem honorigen Vorschlag wurde logischer Weise nichts; statt "Fettbemmen für alle" (Hinke) gab es in den Salles des Pologne Sekt, Canapés und eine "installative Klangperformance" der Künstlerin, die bereits die erste Preisverleihung umrahmen durfte – mit der Welt des Peter Hinke hatte all das denkbar wenig zu tun.

Hinke lobt seine Mitstreiter

Der fleißig Honoratiorenhände schüttelnde Preisträger war dennoch fest entschlossen, seinen Tag zu genießen. Er erinnerte daran, dass ja irgendwer dafür sorgen muss, dass den von Kulturstaatsministerin Monika Grütters gern beschworenen "Tankstellen des Geistes" nicht der Treibstoff ausgeht. Und dass sich, nur einen Pistolenschuss von den prächtig wiedererstandenen Salles des Pologne, in der Hainstraße 23 in Wilhelms Weistuben, einst Ernst Rowohlt mit Franz Kafka traf. "Ein Großteil dieser Ehrung gehört anderen", weiß Hinke. "Den Autorinnen und Autoren, den Buchhändlern, Gestaltern, Druckern, den Käufern und Lesern. Sie alle sind die geistigen Mitinhaber dieses Verlags." Stellvertretend für alle holte Hinke vier auf die Bühne: Die Lebenspartnerin und Mitarbeiterin Frauke Hampel, den Buchgestalter André Göhlich, den Drucker Andreas Pöge (Pöge Druck) und die Autorin Ulrike Almut Sandig. Ein schönes, symbolträchtiges Bild, mit dem Hinke dem Abend dann doch noch seinen Stempel aufdrückte.

Hintergrund:

Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und der Landesverband SaSaThü des Börsenvereins haben den Sächsischen Verlagspreis 2018 als Ehrung für besondere verlegerische Leistungen ausgelobt; erster Preisträger war der Verlag Spector Books (Leipzig). Mit dem Sächsischen Verlagspreis soll der Beitrag der unabhängigen Verlage für die kulturelle, wissenschaftliche und gesellschaftliche Vielfalt im Freistaat Sachsen gewürdigt werden. Darüber hinaus geht es um die Anerkennung des unternehmerischen Idealismus und persönlichen Engagements in der Branche. Im Zeitalter der Digitalisierung soll mit dem Verlagspreis der öffentliche Fokus auf die besondere Qualität gut gemachter Bücher gelenkt werden. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert; über die Vergabe entscheidet eine Jury.