Die Sonntagsfrage

"Eine Buchdelegation in Cannes – wie können Verlage vom Film- und Serienboom profitieren?"

24. Mai 2019
von Börsenblatt
Die Frankfurter Buchmesse hat in diesem Jahr erstmals eine "Publishers' Tour" zu den Internationalen Filmfestspielen in Cannes (14.-25. Mai) organisiert – mit dabei war die Berliner Literaturagentin Elisabeth Ruge, die hier ihre Eindrücke von der Croisette schildert.

Es ist einfach eine großartige Möglichkeit, mit vielen unterschiedlichen Akteuren der internationalen Filmwelt ins Gespräch zu kommen. Und wer will nicht nach Cannes?! Tolle Filme, tolle Leute aus der ganzen Welt, dieses schöne Meer und dieser verrückte Glamour, der faszinierend und komisch zugleich ist. Vor allem wenn man dann im Festivalgewimmel spürt, dass der Aufenthalt durch die Gastgeber außerordentlich effektiv strukturiert ist, die Stimmung einladend und herzlich und alle Beteiligten ein intensives Interesse am professionellen Austausch haben.

Es fing an mit einem lebhaften und im Sinne des net-working außerordentlich nützlichen Lunch, zu dem die Frankfurter Buchmesse geladen hatte. Unmittelbar an der Croisette, konnte man sich für gut anderthalb Stunden aus dem Trubel zurückziehen und Kontakte knüpfen.

Nach einer ausgesprochen informativen und weiterführenden Master Class, die das Institut Français und SCELF (Verband französischsprachiger Verlage) organisiert hatten, drängte man sich dann abends in guter Stimmung bei Dauerregen im deutschen Pavillon beim Empfang der FFA (Filmförderungsanstalt). Ich hatte das Glück, gleich mit einem Luxemburger Produzenten ins Gespräch zu kommen, der ein großer Leser ist und gleich an einer Reihe von Projekten interessiert war – überhaupt war immer wieder bei allen Terminen ein großes, ernsthaftes Interesse an literarischen Stoffen wahrzunehmen, an Stoffen, die unterschiedlichste Formate ermöglichen.

"Shoot the Book!"

Die Session "Shoot the Book!" war ein vollgepackter Tag mit pitches am Vormittag und dann nach einem wirklich wunderbaren Lunch – auch wenn der Tag noch so gedrängt ist, in Frankreich gibt es immer drei Gänge zur kultivierten Entschleunigung – das Rendez-vous: An einzelnen Tischen gab es ein exzellent organisiertes matchmaking, das mir beispielsweise Kontakte und konzentrierte Gespräche mit Produzenten und Produzentinnen aus Deutschland, Kanada, China, den USA, Australien, der Schweiz und Norwegen ermöglichte.

Wir sind eine klassische Literaturagentur, verhandeln aber die Filmrechte unserer Titel direkt, und so haben wir immer einen laufend aktualisierten Filmrechtekatalog zur Hand. Für Cannes war es wichtig, eine gute Mischung aus Angeboten für Arthouse, großes Kino und auch für die Streaming-Dienste dabei zu haben.

Meine erreichten Deals? Zu Helene Bukowskis eindrucksvollem literarischen Debüt "Milchzähne" haben wir mit einer deutschen Produktionsfirma in Cannes das entscheidende Gespräch geführt. Ich schätze, der Vertrag wird in den nächsten drei Wochen unterschrieben sein. Dasselbe gilt für den zeithistorischen Thriller "Die Tote im Wannsee" des Autorentrios Lutz Wilhelm Kellerhof, den wir übrigens in diesem Jahr bei "Books at Berlinale" gepitcht haben – es geht bei solchen großen kreativen Zusammenkünften wie in Cannes ja nicht nur um neue Kontakte, sondern auch um die Vertiefung der zuvor aufgebauten Beziehungen, um das Vorantreiben komplexer gemeinsamer Vorhaben.

"Wir wollen zur Stelle sein, wenn alle zusammentreffen"

In einer Zeit gewaltiger Umbrüche, die zugleich viele Verwerfungen und Chancen mit sich bringt, erscheint es mir besonders wichtig, Stoffe, Stories, Bücher so vielfältig wie möglich anzubieten, eine möglichst diverse Verwertung zu fördern. Eine Agentur ist der ideale Knotenpunkt – wir vertreten eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren, kennen die Projekte genau, haben sie teils über Monate und Jahre begleitet, können die unterschiedlichen Branchen miteinander verknüpfen. Natürlich wollen wir zur Stelle sein, wenn beispielsweise auf der Frankfurter Buchmesse, der Berlinale, in Cannes alle zusammentreffen.

Wie werden die Buchleute generell von Filmleuten aufgenommen? Wenn man miteinander ins Gespräch kommt, ist es ein außerordentlich lebhafter, fruchtbarer Austausch. Ich empfinde es unbedingt als "Horizonterweiterung" und habe immer wieder den Eindruck, dass die Menschen vom Film es ähnlich erleben. Ohne Frage – wir haben einander viel zu bieten, kreativ und geschäftlich. Deswegen ist es so wichtig, die Möglichkeiten des internationalen matchmakings zu intensivieren.

 
Hintergrund

Seit 2017 ist die Frankfurter Buchmesse an dem Veranstaltungsformat "Shoot the Book!" – organisiert von SCELF (Société Civile des Editeurs de Langue Française) und dem Institut Français, in Zusammenarbeit mit Marché du Film und dem Festival de Cannes – beteiligt. In diesem Jahr veranstaltete die FBM erstmals eine "Publishers' Tour" in Cannes, an der sechs deutschsprachige Verlage, darunter eine Agentur, und Verlage der Ehrengast-Länder teilnehmen konnten.

Die FBM organisiert solche Reisen, mit Netzwerktreffen auf Filmfestivals und zu Pitching-Sessions zum Beispiel auch zur Berlinale ("Books at Berlinale"; in Kooperation mit der Berlinale) und dem Filmfest in Toronto. Ziel ist es immer, den Verlagen / Agenturen ein leichtes Entrée zu bieten und sie mit Produzenten zu verknüpfen, die nach neuen literarischen Stoffen für Filmadaptionen suchen.

Auf der kommenden Frankfurter Buchmesse (16.−20. Oktober) gibt es einen Focus Film @The Arts+ − Dabei werden auch die Frankfurter Buchmesse Film Awards vergeben. Insbesondere können sich Verlage mit aktuellen Verfilmungen ihrer Stoffe für den Filmpreis der Frankfurter Buchmesse bewerben.In den beiden Kategorien für die Best Literary Adaption kann bis 15. Juli eingereicht werden. In der Kategorie Best Illustrated Book on Film ist es Ende Mai (siehe Archiv).