MACHTVERHÄLTNISSE, Teil 4: Andreas Kuhnow über sein individuelles Konzept

"Wir machen unser Ding! "

29. August 2019
von Börsenblatt
Andreas Kuhnow, Sortimenter in Berlin-Kladow, hat seine Buchhandlung vor 20 Jahren übernommen. Vor dem Laden finden regelmäßig Lesungen statt, bei jedem Wetter. Im Interview erläutert er, wie der persönliche Kontakt zu seinen Kunden das Geschäft am Laufen hält. Teil 4 einer Börsenblatt-Serie, die Denkanstöße zu den Machtverhältnissen in der Buchbranche liefern will.

Der Konzentrationsprozess in der Branche beschleunigt sich. In Kladow müssen Sie vermutlich nicht die Konkurrenz eines Filialisten fürchten – so wie Kollegen in Innenstadtlagen ...
Nein, wenn man von den Einkaufszentren Havelpark und Spandau Arcaden absieht, die für mobile Menschen durchaus erreichbar sind. Hier in Kladow gibt es abgesehen von unserem Geschäft noch eine kleine Buchhandlung in einem anthroposophischen Krankenhaus, die aber auf entsprechende Themen spezialisiert ist.

Seit 1999 gehört Ihnen die Buchhandlung. Hat sich das Geschäft positiv entwickelt oder sind Kunden in Richtung Onlinebuchhandel abgewandert?
Ich glaube, dass das permanent so ist, es kommen aber auch Kunden wieder. Was wir versuchen, ist: persönlich zu sein. Hier in Kladow haben wir fast eine dörfliche Struktur. Die alten Kladower sagen wirklich: "Ich geh erst ins Dorf." Wenn sie hier nicht fündig werden, dann gehen sie in die Stadt, also nach Spandau, und dann erst, wenn alles nicht hilft, nach Berlin.

Filialen der großen Buchhandelsunternehmen haben, vornehm umschrieben, oft einen hohen Wiedererkennungswert. Wie setzen Sie sich als unabhängiger Buchhändler davon ab? Was ist Ihr Markenzeichen?
Wir haben auf der einen Seite ein sehr breites Sortiment, in dem auch Bestseller oder solche, die es werden könnten, ihren Platz haben. Auf der anderen Seite gibt es Bücher, die ich gern gelesen habe und dann verkaufen und unters Volk bringen möchte. Für mich liegt die Chance darin, den Buchhandel anders zu gestalten und mich anders darzustellen. Und da muss ich meinen ganz individuellen Weg finden ohne irgendeine angepasste (Trend-)Uniformität.

Sie entwickeln also eigene Formate ...
Wir machen unser Ding! Seit einem Jahr veranstalten wir alle zwei Monate eine Lesung vor der Tür, egal, wie das Wetter ist. Dazu reichen wir ein Getränk oder Backwerk oder beides. Die Menschen nehmen das dankbar an und kommen miteinander ins Gespräch, auch über die Bücher. Nach dem letzten Mal hat mir eine Kundin gemailt: "Sie schaffen es, eine Salonatmosphäre im Freien zu schaffen." Mir ist es auch wichtig, mich im Kontext des »Dorfes« zu positionieren und allen klarzumachen: Es geht um unsere Infrastruktur. Achtet darauf, dass die erhalten bleibt und nicht durch den Onlinehandel zerstört wird. Es gibt aber auch einige andere Aktionen, die wir machen: Kaffeebecher für Kladow, einen Stadtplan für das Dorf, den man auch als Geschenkpapier verwenden kann, und vieles mehr.

Sie pflegen nicht nur den persönlichen Kontakt, sondern sprechen Kunden schon auf Ihrer Website sehr individuell an – mit Buchempfehlungen und Rezensionen. Warum?
Eine Mitarbeiterin von mir ist auf diesem Feld sehr aktiv. Sie ist technikaffiner als ich und hat die Website selbst gestaltet. Wir haben bewusst nicht die von den Grossisten vorgegebenen White-Label-Shops genutzt, weil wir die nicht schön finden.

Wird Ihre Buchhandlung vor allem von Stammkunden besucht?
Ja, Laufkunden spielen eine geringere Rolle. Im Sommer kommen Touristen von drei nahe gelegenen Campingplätzen, die bei uns Kartenmaterial finden. Die berate ich dann auch persönlich und erkläre ihnen, wie sie nach Sacrow, Potsdam oder Spandau kommen. Das ist dann "all inclusive".

Im benachbarten Gatow gibt es noch den alten Flughafen mit Museum, der Interessenten anziehen dürfte ...
Als ich die Buchhandlung übernommen habe, war das insofern ein besonderer Aspekt, weil auf dem Flughafengelände Einfamilienhäuser gebaut wurden und Leute zuzogen. Das war für mich eine Option, dass auch junge Menschen in den Laden kommen, Familien mit Kindern.

Viele Ihrer
Kunden sind also Familien ...
Es kommen Eltern, die häufig auch ihre Kinder mitbringen. Das Schöne dabei ist, Kontakt zu den Kindern zu haben, sie mit ihren Wünschen ernst zu nehmen. Wir haben eine sehr große Kinderbuchecke
– nach Alter sortiert für die Lesenden und dazu eine Abteilung für Bilderbücher, ebenfalls nach Altersstufen sortiert.

Sind Ihre Kunden eher solvent?
Wir haben hier ein ganz normales, gemischtes Publikum. Einigen geht es sehr gut, anderen weniger. Dann gibt es auch die Häuslebauer, die noch abzahlen.

Arbeiten Sie auch mit anderen ­Einzelhändlern zusammen?
Ja, zum Beispiel teile ich mir mit einem Blumenhändler gegenüber einen Kundenstopper. Wir werden beide gesehen und teilen uns zugleich die Kosten. Ich beteilige mich auch an vielen anderen Initiativen, etwa Lesenachmittagen in Schulen oder Kindergärten.

Sind Sie mit der Akzeptanz Ihrer Arbeit zufrieden?
Ja, die ist wirklich hoch, worüber ich mich sehr freue. Die Leute reagieren sehr positiv auf unsere Arbeit. Natürlich muss man sich immer wieder fragen: Welches ist jetzt der Weg? Ist die Zeit für manche Dinge vielleicht irgendwann vorbei? Kann man Dinge anders oder neu machen?

Mehr Denkanstöße in der aktuellen Börsenblatt-Ausgabe - und in einem Schwerpunktheft über Konzentrationsprozesse und Machtverhältnisse, das zur Frankfurter Buchmesse erscheint.