Interview mit Wolfgang Tischer, literaturcafe.de

"Podcasts bleiben ein Nischenmedium"

1. Oktober 2019
von Börsenblatt
Wie kann das Hörbuch vom Podcast-Boom profitieren? In welchen Verzeichnissen müssen die Hörstücke verzeichnet sein, um gefunden zu werden? Wann ist ein Verlagspodcast ein Erfolg? Interview mit Wolfgang Tischer, Gründer und Herausgeber von literaturcafe.de.  

Podcasts schießen gerade wie Pilze aus dem Boden. Warum ist das so?
Wir erleben derzeit einen Audio- und Podcast-Boom, da – anders als bei der ersten Hype-Welle im Jahre 2006 – Wiedergabegeräte omnipräsent sind, seien es Smartphones oder smarte Lautsprecher, und die mobile Datennutzung erschwinglich ist. Wie damals Apple für den iPod-MP3-Player die Podcasts als kostenlosen Audio-Inhalt nutzte, um die Geräte attraktiver zu machen, so nutzen heutzutage Streaming-Anbieter wie Spotify und Audible die Podcasts, um Abos für bezahlte Inhalte zu verkaufen. Die Anbieter setzen bei ihren eigenen Produktionen auf bekannte Namen. Bei Spotify geht es in erster Linie um Musik, bei Audible um Hörbücher. Die Plattformen haben es mit ihren Apps und Algorithmen einfacher, die Menschen von den kostenlosen Podcasts zu bezahlten Inhalten zu bringen.

Und wie kann das Hörbuch davon profitieren?
Podcast-Zahlen mit großer Vorsicht zu genießen und somit auch statistische Gegenüberstellungen von Podcast- und Hörbuchhörern. Hörbücher verlangen in der Regel eine höhere Aufmerksamkeit als Podcast-Produktionen. Hörbuchverlage werden Dinge ausprobieren müssen: Sie können kostenlose Podcasts anbieten und hoffen, dass die Nutzer zu kostenpflichtigen Produktionen wechseln. Ein Beispiel dafür ist "Der Abgrund" vom Hörverlag. Eine weitere Möglichkeit ist das Werben im Umfeld von Podcasts. Sponsoring ist nach wie vor eine gute Einnahmequelle von Podcasts. Selbst Audible wirbt im kostenlosen ZEIT-Verbrechen-Podcast ­– aber auch der Hörverlag bewirbt dort wiederum den "Abgrund". Allerdings ist es nicht einfach, Podcasthörer zu einer Aktion zu bewegen, sei es zu einem Kommentar oder ins Reinhören in einen anderen Podcast. Wenig halte ich von Podcasts mit Hörproben aus verschiedenen Hörbuchproduktionen. Das ist zu unspezifisch.

Das große Thema für alle: Sichtbarkeit im digitalen Raum. Wie werden die eigenen Inhalte gefunden?
Tatsächlich profitiert man derzeit vom Boom und der medialen Berichterstattung. Wer einen Podcast startet, hat nach wie vor gute Chancen, dass man in den Berichten über den Podcast-Boom erwähnt wird. Das ist nicht zu unterschätzen.

Auf die Berichterstattung hat man wenig Einfluss. Was gehört zum Handwerkszeug?
Der Podcast muss in allen Verzeichnissen zu finden sein, allen voran bei Apple Podcasts (vormals iTunes) und Spotify. Viele Podcasts-Apps greifen auf diese Verzeichnisse zurück, sodass man immer prüfen sollte, ob der eigene Podcast überall zu finden ist. Der Podcast-Feed sollte keine Fehler aufweisen, das Logo markant sein und in allen Größen funktionieren. Begleitende Links und Infos, die sogenannten Shownotes, sollten gepflegt werden. Google arbeitet zwar daran, dass endlich Audio-Inhalte besser zu finden sind, doch begleitende Textinfos sind fürs SEO wichtig. Stets sollte überall auf den Podcast verwiesen und verlinkt werden. Auf der Website sollte es einen guten Player geben, um die Folge direkt wiederzugeben, es muss jedoch längerfristig das Ziel sein, Abonnenten zu gewinnen. Ist ein Podcast neu, wartet er vielleicht sogar mit bekannten Namen auf, wird darüber berichtet, so sind die Abrufzahlen der ersten Folgen hoch. Doch um Hörerinnen und Hörer auf Dauer zu halten, ist das Abo wichtig.

Wie läuft der Podcasts von literaturcafe.de?
Großartig! Der Podcast des literaturcafe.de ist ohne Frage der mit Abstand meistgehörte Literaturpodcast in Deutschland. Die Downloads der Folgen haben die Millionengrenze weit überschritten. Das ist nicht gelogen, doch die Antwort spielt ebenfalls mit den genannten Unschärfen. Tatsächlich lese ich solche Antworten in Berichten, in denen es um den Erfolg von Podcasts geht. Den Podcast des literaturcafe.de gibt es seit über 14 Jahren! Da addiert sich einiges. Es gibt legendäre Folgen wie beispielsweise die Interviews mit Roger Willemsen, die allein pro Folge sechsstellige Abrufzahlen hatten.

Schade, Millionenzahlen sind mit Podcasts also wohl nicht zu erreichen.
Es ist schwer, den Erfolg von Podcasts zu messen und zu vergleichen. Ein Download muss kein Hören der Folge sein. Ab welcher Zeit gilt eine Podcast-Folge als gehört? Hinzu kommt, dass Podcasts unterschiedlich lang sind. Es gibt Bestrebungen und Versuche, die Zähl- und Messmethoden zu normieren, aber das bleibt schwierig. Die Konkurrenz ist aktuell enorm hoch und die Mediennutzungszeit der Hörerinnen und Hörer begrenzt. Beim Podcast wird immer wieder betont, dass er als Nebenbeimedium genutzt werden kann, beim Pendeln in den öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Autofahren oder bei der Hausarbeit. Aber Podcasts bleiben ein Nischenmedium, und bei Verlagspodcasts darf man sich keinen falschen Vorstellungen und Erwartungen hingeben, die haben irgendwann ein paar hundert Abrufe pro Folge. Dranbleiben und Kontinuität sind wichtig. Ich bin gespannt, wie es da in einem Jahr ausschaut.