Meinung von Maik Reumann, Vertriebsleiter Audiobuch

"Buchhändler sollten die CD nicht ohne Not zu Grabe tragen"

1. November 2019
von Börsenblatt
Zurückhaltung im Sortiment, aufwendiger Digitalvertrieb, Onleihe, mangelnde Vielfalt - aber auch viele neue Chancen. Audiobuch-Vertriebsleiter Maik Reumann über die Herausforderungen für Hörbuchverlage in digitalen Boom-Zeiten.

Die Branchenpresse meldet seit Monaten einen Rückgang der physischen Hörbuchverkäufe. Wenn wir bei Audiobuch unsere Zahlen betrachten, sehen wir aber, dass unsere CD-Absätze in den Jahren 2018 und 2019 in etwa gleich hoch geblieben sind. Wie passt das zusammen?

Meine Erklärung lautet: Diejenigen stationären Händler, für die das Hörbuch immer schon nicht mehr als ein »Nebenbei-Produkt« war, verzeichnen tatsächlich deutliche Rückgänge. Die Hörbuchspezialisten unter den Sortimentern aber halten ihre Verkäufe auf hohem Niveau. Denn es gibt sie eben noch – und zwar nicht zu knapp –, die Liebhaber der CD. Nur suchen diese Fans heute im Buchhandel oft erfolglos nach den Silberlingen. Ganz anders beim Versandhandel: Hier wird der Kunde leicht fündig, und bestellt dann bei … ja, genau da! Einige unserer Titel gehen über den Versandriesen Amazon pro Monat(!) an 100 Kunden – im stationären Buchhandel wandern vom selben Titel keine 100 Exemplare pro Jahr über den Ladentisch. Ich ermuntere den stationären Buchhandel, die CD nicht ohne Not zu Grabe zu tragen. Das Erfolgsrezept liegt in wechselnden Hörbuchaktionen, in der gemeinsamen Präsentation von Buch und Hörbuch und, nicht zu vergessen, in der Beratung durch den informierten Buchhändler vor Ort und digital.

Nicht billig  Auch der digitale Markt birgt Freud und Leid. Im Onlinehandel, auf Social-Media-Kanälen, in Blogs und auf Downloadportalen – es wird immer häufiger über Hörbücher geschrieben. Für die Hörbuchverlage ist das Bespielen der digitalen Kanäle eine große Herausforderung. Auch müssen die Aggregatoren für Download- und Streamingportale ständig auf dem Laufenden gehalten und mit den Neuheiten bestückt werden. Wer da keine gute Datenbank hat, verliert schnell den Überblick. Kurz gesagt: Digitaler Vertrieb ist nicht billig.

Dem steht ein enormes Wachstum des digitalen Markts gegenüber. Das ist einerseits schön, denn es spült Geld in die Kasse. Andererseits sind die Erlöse im Vergleich zur CD-Ausgabe sehr niedrig. Podcasts werden gleich gar nicht vergütet. Für die digitale Welt weiterhin kostendeckend zu arbeiten, wird so zunehmend schwierig.

In diesem Zusammenhang darf auch das Geschäft mit den ­Bibliotheken nicht aus dem Blick geraten. Die Onleihe boomt, die Nutzerzahlen der Bibliotheken steigen. Aber die Hörbuchverlage erhalten für eine mehrjährige Ausleihlizenz nur eine schmale Einmalzahlung. Hierüber wollen wir mit den Bibliotheken ins Gespräch kommen.

Das Hörbuch rückt im Internet immer mehr in den Fokus. Wir gewinnen viele neue, oft auch jüngere Hörbuchfans hinzu. Es findet aber auch eine gewisse Entwertung statt – nicht nur monetär, sondern auch inhaltlich. Romance und Spannung dominieren den digitalen Markt. Klassiker oder literarische Stoffe funktionieren bei Audible, Spotify und Co. bisher kaum. Hier könnten sich die Portale durch Werbung etwas stärker engagieren.

Dem Hörbuch bieten sich viele neue Chancen. Ob mittels Smartspeaker, im Auto oder per Smartphone: Hörbücher können auf vielfältige Art und Weise im Alltag genutzt werden. Neue Trends mutig mitzugehen, aber auch kritisch zu hinterfragen, sehen wir als Aufgabe unserer Branche. Der Audiobuch Verlag feiert 2019 ein Jubiläumsjahr: Wir sind 25 Jahre jung, unabhängig und erfolgreich. Und stellen uns dem Wandel der Zeit.

Mehr zum Thema Hörbuch lesen Sie im Börsenblatt Spezial Hörbuch & Musik, das am 31. Oktober erschienen ist!