Ratgeber

Schönheit ist nicht alles

6. März 2020
von Börsenblatt
Promis, Fotos, Häppchenkost: Ratgeber haben heute Lifestyle-Charakter. Ist das eigentlich richtig? Jein, meint Christian Wagner von der Stiftung Warentest. Er wünscht sich auch Nutzwert und Haltung.

Was bedeutet eigentlich Lifestyle? Bunt, laut, oberflächlich? Kurz gegoogelt bezeichnet der Begriff be­sonders »Lebensstile im jugendkulturellen Spektrum sowie Lebensstile, die stark auf Hedonismus, Luxus und Konsum ausgerichtet sind«. Er steht für die »stylishe« Erscheinung eines Menschen »und schließt seine Verhaltensweisen und seine Freizeitgewohnheiten mit ein«. Und weiter: »Lifestyle-Magazine umfassen daher vor allem Hinweise auf Partys, Unterhaltungs- und Vergnügungsveranstaltungen, usw.« Lifestyle kümmert sich also um jenes jugendkulturelle Spektrum, das auf Luxus und Konsum ausgerichtet ist. Das ist nicht unbedingt die Zielgruppe, die im Buchhandel unterwegs ist – und vielleicht auch eine, die niemals unsere sein wird. Viele Ratgeber erklären »gesunde« und »artgerechte« Lebensstile in pas­telligen Tönen, zeigen »Workouts« von Promis in wunderbar eindrucksvollen Fotos oder versprechen eine bessere Haltung – wobei es sich hier in erster Linie um den Körper dreht und nicht um den Geist. Geht das Ratgebersegment dadurch in der und für die Schönheit unter? (Wobei wir an der Stelle über Schönheit streiten können ...) Verlieren wir durch Oberflächlichkeit auf Dauer unsere Käufer*innen? Oder sind wir am Ende noch nicht oberflächlich genug? Und wo bleibt der Nutzwert? Oder besser: Wie bleibt der Nutzwert? Das sind Fragen, die sich Ratgeber­verlage heute stellen müssen, auch wir.

Absoluter Balanceakt

Ja, die Lese- und Sehgewohnheiten haben sich geändert. Das Internet suggeriert kurze und knappe Informationen, ein schneller Überblick muss her, die Information muss schnell erfassbar sein, am besten plakativ und auf den ersten Blick begreifbar aufbereitet. Aber müssen die Inhalte wirklich darunter leiden? Ein absoluter Balanceakt: Einerseits ist natürlich jeder verkaufte Rat­geber ein guter Ratgeber! Die Warengruppe entwickelt sich nach wie vor stabil, 2019 sogar mit steigenden Umsätzen. Andererseits – wo führt das hin, wenn wir uns alle hemmungslos dem Lifestyle hingeben? Die Stiftung Warentest steht vor allem für Ratgeber mit Nutzwert, für Kompetenz und Seriosität. Und auch wir müssen den veränderten Lesegewohnheiten gerecht werden. Nur: Was hat der Kunde vom »Lifestyle«-Touch der aktuellen Ratgeber, wenn er das, was er eigentlich sucht, nicht mehr findet – nämlich einen Rat?

Lust und Akribie

Der Anspruch der Stiftung Warentest ist es, Informationen auf den Punkt zu bringen und die Leser*innen objektiv zu informieren und aufzuklären – und das zielgruppengerecht, gut lesbar und mit viel Lust, Akribie und zudem umweltgerecht hergestellt. Das Programm vereint heute Finanz­themen, Kochbuch, Gesundheit, Garten etc. – es vereint aber genauso erfolgreich die unterschiedliche Aufbereitung der unterschiedlichsten Themen für die unterschiedlichsten Ansprüche der Kund*innnen. Für die Pole, zwischen denen wir uns bewegen, stehen der langjährige Bestseller »Das Vorsorge-Set« (in der Aufbereitung schlicht, aber mit hohem Nutzwert) und der aktuelle Titel »Ordnung nebenbei« (Trendthema und voll im Lifestyle, aber zugleich mit hohem Nutzwert aufbereitet). Die Buchumsätze der Stiftung Warentest steigen stetig, 2019 sogar um knapp 20 Prozent. Wir scheinen also doch einiges richtig zu machen. Wenn alles laut und bunt ist – ist das Schlichte dann womöglich bunter? Ratgeber zu Partys haben wir jedenfalls bisher noch nicht gemacht...