Wie große inhabergeführte Buchhandlungen reagieren

"Wenn wir aus der Krise rauskommen, sind wir möglicherweise bekannter als vorher"

3. April 2020
von Stefan Hauck
Hohe Internet-Präsenz und bis zu 500 Bestellungen am Tag, selbst über Instagram: Wie geht es großen inhabergeführten Buchhandlungen mit hoher Mitarbeiterzahl in Zeiten von Corona? Das Börsenblatt hat bei vier jungen Chefs nachgefragt, wie sie ihre Buchhandlung durch die kommenden Wochen steuern.

"Ein Überbrückungskredit bedeutet: Die Darlehen mit Zins zurückzahlen"

"Wir haben eine Betriebsgröße, mit der wir nichts beantragen können, da ist in Rheinland-Pfalz keine Förderung vorgesehen", sagt Robert Duchstein, der seit 2017 die Buchhandlung Reuffel in Koblenz, Mayen und Montabaur führt. Für ihn bedeutet das: Die Hausbank fragen, die dann auch für die Abwicklung von Überbrückungskrediten zuständig ist. "Aber letztlich heißt das: Wir müssen mit Fremdmitteln die Kosten decken und müssen diese Darlehen wieder mit Zins zurückzahlen." Wenn die Läden wieder öffnen dürfen, werde man erhebliche Teile des Gewinns in die Tilgung der Darlehen stecken müssen: "Dann haben wir in unserer renditenschwachen Branche über Jahre hinaus keine Mittel für Investitionen", fürchtet er.

Duchstein hofft, dass sein Bundesland und der Bund bei Unterstützungsmöglichkeiten noch nachbessern: "Der klassische Mittelstand mit bis zu 250 Mitarbeitern ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – und für die gibt es keine Förderung!", zeigt er sich verärgert. "Das kann so nicht bleiben." Mit seinen Vermietern für die vier Standorte hat er bereits gesprochen: "Sie sind uns partnerschaftlich verbunden und sind meist entgegenkommend." Viele der knapp 100 Mitarbeiter sind seit 18. März in Kurzarbeit, und Duchstein hat das Kurzarbeitergeld aufgestockt: "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das Herz von Reuffel und ich unterstütze sie, so es irgend möglich ist."

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Fünf-Punkte-Plan, Postings und Videos

Auch wenn er online sehr aktiv ist, das profitable Ladengeschäft fehlt ihm ebenso wie Martin Riethmüller, der seit vergangenem Jahr Geschäftsführer von Ravensbuch ist, gemeinsam mit seinem Vater Michael. Er hat am Mittwoch 30.000 Euro Soforthilfe des Landes Baden-Württemberg bekommen und bereits vor der Bekanntgabe der Schließungen aller Läden einen Fünf-Punkte-Plan entwickelt, um die Folgen der Ladenschließungen in den Griff zu bekommen:

  1. Reduktion der Kaltmieten um 50 Prozent – "Das hat zum Glück bei allen vier Standorten in Ravensburg, Friedrichshafen, Tettnang und Markdorf geklappt. Es geht ja letztlich darum, gemeinsam aus der Krise zu kommen, und auch den Vermietern geht es um Langfristigkeit. Es wäre ja fatal, wenn ein Einzelhändler nach dem anderen schließen müsste."
  2. Mitarbeiter in Kurzarbeit – "Bis auf die sechs Auszubildenden und einige Mitarbeiter etwa im Warengang sind alle in Kurzarbeit."
  3. Warenlager: "Wir sind mit den Verlagen in einem partnerschaftlichen Dialog, und bis auf eine Verlagsgruppe haben alle einer Verlängerung auf 120 Tage Valuta gewährt. Dafür sprechen wir dann keinen Lieferstopp aus."
  4. Überbrückungskredit bei der KfW beantragen
  5. Mit den Softwaredienstleistern, Reinigungsdiensten etc. sprechen und entsprechende Vereinbarungen für das Aussetzen bestimmter Leistungen treffen

Martin Riethmüller ist jetzt wie der anderen online sehr aktiv: "Mit unseren Postings, bei derzeit 3.800 Abonnent*innen und mit einem kleinen Werbebudget, erreichen wir jetzt wöchentlich fast 100.000 Personen. Und wir haben kleine Videos gedreht, die wir über die sozialen Medien im Umkreis von 35 km spielen – die haben sich in der letzten Woche 25.000 angeschaut." Die Werbemaßnahmen im Retargetingbereich hat Riethmüller hochgesetzt, mit den örtlichen Zeitungen ist Ravensbuch eng vernetzt, regelmäßig geben die Mitarbeiter dort Buchtipps: "Das hilft uns auch jetzt, weil wir im Gespräch sind und wahrgenommen werden." Gerade hat der SWR einen Beitrag über Ravensbuch gesendet. "Wenn wir aus der Krise rauskommen, sind wir möglicherweise bekannter als vorher", vermutet er.

Die Telefone der Filialen sind nach Ravensburg umgeleitet, die Bestellungen werden von vier Fahrradkurieren und von der Post ausgeliefert. "Wir haben bis zu 500 Bestellungen am Tag, teilweise mit Warenkörben von 120 Euro", resümiert Riethmüller. "Die Bestellungen sind keineswegs gesunken."

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"Die versandkostenfreie Lieferung fällt uns jetzt auf die Füße"

Lünebuch in Lüneburg arbeitet im Notbetrieb: "Wer kann, arbeitet von zuhause", sagt Jan Orthey, der seit 2010 die Buchhandlung führt und vor vier Jahren die Buchhandlung Hornbostel in Salzhausen übernommen hat. Für die Mitarbeiter, die nicht zwingend gebraucht werden, hat er Kurzarbeit beantragt, ebenso die Soforthilfen des Landes Niedersachsen zu Corona. "Die 20.000 Euro helfen uns aber nur kurz, das Geld reichen wir komplett durch an unseren Vermieter. Da hat die Politik nicht aufgepasst. Das Soforthilfeprogramm ist eine Unterstützung der Immobilienwirtschaft – nicht des Handels. Das ist wahnsinnig frustrierend." Die laufenden Kosten in den Griff zu kriegen und die Liquidität zu erhalten koste unglaublich viele Anstrengungen.

Wichtiger denn je sind, wie alle Buchhändler betonen, die Stammkunden, die nicht zuletzt auch emotional den Rücken stärken und bestellen. 350 Anrufe hat Lünebuch am Tag, und gut 250 Webshop-Bestellungen. Was ihn wundert ist, dass einige Kunden eine prompte Liefergeschwindigkeit erwarten, als gäbe es keine Corona-Krise. Alles, was Lünebuch nicht selbst ausfahren kann, geht mit der Post, "aber da fällt uns jetzt die versandkostenfreie Lieferung auf die Füße." Anders als Martin Riethmüller hat er nicht auf Belieferung mit Porto umgestellt, "das ist schwierig – zum einen mit Blick auf die Konkurrenz anderer Onlineshops, zum anderen haben wir jahrelang die kostenfreie Lieferung propagiert." Mache man jetzt einen Rückzieher, könne die Glaubwürdigkeit leiden. Andererseits stehen manche Portokosten in keinem Verhältnis zum Warenwert: "Da müssen wir noch einmal überlegen."

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"Wir liefern täglich mit sieben bis acht Autos und fünf Fahrrädern aus"

"Versandkostenfreie Lieferung", damit wirbt auch die größte Buchhandlung in Braunschweig auf ihrer Homepage. Zusätzlich kann man bei Graff aber auch bestellte Bücher an einem Nebeneingang von 9 bis 18 Uhr abholen. "Wichtige Abteilungen wie das Bestellbuch und der Wareneingang arbeiten voll", sagt Frederick Wrensch, der im März vergangenen Jahres seinen Vater Thomas in der Geschäftsführung abgelöst hat und nun mit seinem Onkel Joachim Wrensch die Geschicke der Buchhandlung leitet. Die Stammkunden sind ihm treu, weil Graff bei den Braunschweigern einfach fest verankert ist, was schon Thalia schmerzhaft erfahren musste und eine Filiale schräg gegenüber nach kurzer Zeit schloss. "Mit sieben bis acht Autos und fünf Fahrrädern liefern wir täglich aus, den Rest verschicken wir mit der Post", erklärt Wrensch.

Online verzeichnet er gerade "einen Umsatzzuwachs von täglich 200 bis 400 Prozent – aber das ist ja trotzdem nur ein Bruchteil dessen, was wir im Ladengeschäft erzielt hätten. 40 bis 50 Prozent Umsatz fehlen einfach." Einen Überbrückungskredit hat er noch nicht beantragt. Was er beim bisherigen Bestellverhalten gemerkt hat: "Es gibt viele Neukunden, die uns gerade erst entdecken." Dafür tut er auch einiges: "Wir zeigen mehr Stories zu Produkten auf Instagram, da hat meine Mitarbeiterin einiges zu tun" – mit der Folge, dass Graff zunehmend Bestellungen über Instagram erreichen.