Auszeichnung der Stadt Frankfurt

Goethepreis an Dževad Karahasan

7. Mai 2020
von Börsenblatt
Der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan (Graz/Sarajevo) erhält für sein Werk den mit 50.000 Euro dotierten Goethepreis 2020 der Stadt Frankfurt am Main. Karahasan sei "als literarischer Brückenbauer für das geistige Klima Europas unverzichtbar", sagte Kulturdezernentin Ina Hartwig.
Sein vielgestaltiges Werk umfasse Romane, Dramen, Essays und theoretische Schriften, denen ein aufklärerischer, vermittelnder Impetus gemeinsam ist, so die Stadt Frankfurt in einer Presseinformation. Es sei ein Werk, das sich der Vermittlung zwischen Ost und West, zwischen Islam und Christentum verschrieben habe.

Oberbürgermeister Peter Feldmann begrüßt als Vorsitzender des Kuratoriums die Entscheidung: "In Zeiten eines wachsenden Nationalismus auch in Europa steht der diesjährige Preisträger Dževad Karahasan für das dauerhafte Überwinden von Grenzen, seien sie politisch oder kulturell. Den bosnischen Schriftsteller mit dem Goethepreis des Jahres 2020 auszuzeichnen, ist ein Bekenntnis unserer Heimatstadt Frankfurt zu Toleranz und Verständigung."

Kulturdezernentin Ina Hartwig ergänzt: "Mit Dževad Karahasan wird ein großer europäischer Schriftsteller ausgezeichnet. Geboren in Sarajevo als Kind muslimischer Eltern, weiß er um die Fragilität des Zusammenlebens unterschiedlicher Religionen und Kulturen. In seinen eindrucksvollen Romanen und Essays wird das Fremde im Eigenen lebendig. Der Universalist Goethe ist ihm ein künstlerischer Leitstern, dem er immer wieder seine literarische Reverenz erweist. Karahasan ist als literarischer Brückenbauer für das geistige Klima Europas unverzichtbar."

Dževad Karahasan, 1953 im Duvno/Jugoslawien geboren, studierte Literatur- und Theaterwissenschaft in Sarajevo, promovierte in Zagreb und lehrte von 1986 bis 1993 Dramaturgie und Dramengeschichte an der Akademie für szenische Künste in Sarajevo. 1993 floh Karahasan aus der umkämpften Stadt, die eine zentrale Rolle in seinen Schriften spielt. Er arbeitete als Dozent für Dramaturgie und dramatisches Schreiben an verschiedenen europäischen Universitäten sowie als Dramaturg und Dramatiker.

Sein erstes Prosawerk nahm Bezug auf Goethes "Diwan" und hieß "Der östliche Diwan" (1993). Zu seinen wichtigsten Werken zählen "Sara und Serafina" (2000; lieferbare TB-Ausgabe 2014 bei Suhrkamp), "Das Buch der Gärten. Grenzgänge zwischen Islam und Christentum" (2002; lieferbare TB-Ausgabe 2019 bei Insel), "Der nächtliche Rat" (2006; Insel), "Der Trost des Nachthimmels. Roman in drei Teilen" (2016; Suhrkamp) und 2019 der Erzählungsband "Ein Haus für die Müden" (Suhrkamp).

Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen, unter anderem dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (1995), den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2004), 2012 mit der Goethe-Medaille des Goethe-Institutes und 2019 mit dem Jeanette Schocken-Preis ausgezeichnet. Dževad Karahasan lebt mit seiner Frau in Sarajevo und in Graz.

Zum Preis

Der Goethepreis wird alle drei Jahre am Geburtstag Johann Wolfgang Goethes, dem 28. August an eine Persönlichkeit verliehen, "die durch ihr Schaffen bereits zur Geltung gelangt und deren schöpferisches Wirken einer dem Andenken Goethes gewidmeten Ehrung würdig ist".

Das Kuratorium setzt sich in diesem Jahr neben den ständigen Mitgliedern (dem Oberbürgermeister, dem Stadtverordnetenvorsteher, der Kulturdezernentin, dem Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst, der Präsidentin der Goethe-Universität und der Direktorin des Freien Deutschen Hochstiftes) aus der Dichterin und Übersetzerin Ilma Rakusa, dem Schriftsteller Ingo Schulze und der Leiterin des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Sandra Kegel zusammen.

Die letzten Preisträger waren 2005 Amos Oz, 2008 Pina Bausch, 2011 Adonis, 2014 Peter von Matt und 2017 Ariane Mnouchkine. Frühere Preisträger waren unter anderem Sigmund Freud (1930), Hermann Hesse (1946) und Thomas Mann (1949). Erster Goethepreisträger war im Jahr 1927 Stefan George.