Jahresbetriebsvergleich Sortimentsbuchhandel

Finanziell sind Altenpfleger besser gestellt

2. Oktober 2015
von Börsenblatt
Im Börsenblatt war in der Auswertung zum Jahresbetriebsvergleichs des Sortimentsbuchhandels zu lesen, "dass manche Buchhändler nur ein positives Ergebnis erwirtschaften, weil sich Chefs und Mitarbeiter über die Maßen engagieren", so Jörg Tomann. Der Ehemann einer selbständigen Buchhändlerin fügt eine weitere Perspektive hinzu.

An dieser Stelle möchte ich als Ehemann einer selbständigen Buchhändlerin sogar noch einen drauf setzen. Mittlerweile ist es für die Aufrechterhaltung einer Buchhandlung meiner Auffassung nach sogar bitter notwendig, über ein manchmal sogar vernünftiges Maß hinaus die Unterstützung der Familie, Kinder, Ehe-/Lebenspartner zu haben. In vielen Fällen nämlich unterstützen Ehe- bzw. Lebenspartner selbständige Buchhändler/innen finanziell und verzichten so auf vieles, nur um das "schöne" Gewerbe am Laufen zu halten. Und das bereits über Jahre. 

Buchhandlungen wurden so von kleinen Unternehmen, die Existenzen sichern konnten zu reinen Verkaufsstellen. Sind Kinder im Haus muss man ein hohes Maß an Selbständigkeit von diesen erwarten beziehungsweise es kommt vor, dass zur Sicherung des Geschäfts die Kinder und deren Bedürfnisse auf der Strecke bleiben oder zumindest vernachlässigt werden, denn Personal kann man sich nicht leisten um Freiräume für die Familie zu bekommen. Da ist Selbständigkeit im Grunde schon ad absurdum geworden.

Finanziell ist es bereits seit Jahren schon wesentlich attraktiver geworden als Altenpfleger/in tätig zu werden bei geregelten Arbeitszeiten, Urlaubsansprüchen, Weihnachtsgeld und einer absolut sicheren Zukunftsperspektive. Und das wird so weiter gehen und irgendwann ist es auch mit der Unterstützung von Ehe-/Lebenspartnern vorbei und die Kinder sind irgendwie von allein groß geworden und mussten sich ihr eigenes Bild vom Buchhandel machen, das wird möglicherweise nicht positiv sein.

Daher frage ich mich als Betriebswirtschaftler schon, ob außer den Buchhändlern selbst denn irgendeiner aus der Branche wirklich so sehr am Erhalt einer vielfältigen Buchhandlungslandschaft interessiert ist. Im Grunde haben es doch Verlage und Barsortimente in der Hand. Ich bin mir eigentlich sicher, dass trotz Internet und sonstigen Entwicklungen das Leseverhalten doch eigentlich ein stabiles sein könnte. Der Leser wird nicht unbedingt ein Buch mehr oder weniger kaufen nur weil es das Internet gibt. Lediglich die Vertriebs-/Versandwege haben sich geändert.

Wollen die Hersteller/Verlage also nicht weiter unter Druck der Großen geraten müssen sie an einer diversifizierten Buchhandlungslandschaft doch einfach Interesse haben und zu Gunsten der Kleinen die Einkaufsrabatte für die Großen beziehungsweise Amazon und Co. deutlich nach unten fahren und die Kleinen durch deutlich bessere Rabatte mehr begünstigen.

Ich glaube kaum, dass die Verlage beziehungsweise Barsortimente dadurch ein Buch mehr oder weniger verkaufen und auch nicht, dass deren Geschäft dadurch negativ verlaufen wird. Eher das Gegenteil. Sind nämlich erst einmal inhabergeführte Buchhandlungen weitgehend verschwunden oder noch viel deutlicher dezimiert, wird das den größeren Akteuren des stationären Buchhandels, den Verlagen und den Barsortimentern auch nicht viel nützen, denn letztlich Amazon wird allen sein Diktat aufzwingen. Verkauft wird aber nicht mehr und auch nicht weniger. Also, inhabergeführter Buchhandel gewünscht, ja oder nein?