Debüt-Nachfolger

Auf eins folgt zwei

14. Januar 2016
von Börsenblatt
Nach dem Debüt ist vor dem zweiten Buch. Fällt es ganz anders aus oder hat es einen ähnlichen Klang? Erfüllt es die Erwartungen? Neue Zweitbücher aus den Frühjahrsprogrammen.

Beim zweiten Mal wird alles besser? Muss nicht sein, jedenfalls nicht beim zweiten Buch. So mancher Autor soll sich damit ziemlich quälen. Markus Berges, Sänger und Songschreiber der Kölner Band "Erdmöbel", dürfte nicht zu diesem Typus gehören, schreibt er doch ständig tolle Texte für seine Band. In seinem Debüt "Ein langer Brief an September Nowak" führte er die Leser von Warendorf aus nach Paris, Nizza und Berlin. Jetzt geht es in die Ukraine. Jasmin Nickenig kocht für Bob Dylan und seine Crew ("Die Köchin von Bob Dylan", Rowohlt, März, 288 S., 19,95 Euro). Weitere Hauptrollen: Florentinus Malsam, der behauptet, Jasmins Großvater zu sein, Tchechows Ehefrau und Bob Dylan, der ganz schön merkwürdige Angewohnheiten hat. Hier ist kein Lebensweg gerade, versprochen. Zum Schluss ein Lieblingssatz: "Als der Vater zurückkam, flatterten die Kinder in Nachthemden umher. Sie bespritzten sich am Becken mit Wasser, während er am Tisch rauchte."

Jenny Downhams Romandebüt "Bevor ich sterbe" erschien in mehr als 30 Ländern und verkaufte sich allein in Deutschland 500 000-mal. Außerdem wurde ihr Roman über ein todkrankes Mädchen, das sich seine letzten Wünsche erfüllt, mit Dakota Fanning und James Irvine in den Hauptrollen verfilmt. Die Messlatte für ihr zweites Buch liegt also hoch. "Die Ungehörigkeit des Glücks" (C. Bertelsmann, Februar, 480 S., 19,99 Euro) dürfte damit kein Problem haben. Der Plot: drei Frauen, drei Generationen – Katie, 17, ihre Großmutter Mary (Alzheimer, frühes Sta­dium!), Marys Tochter Caro­line, die viele Jahre keinen Kontakt zu ihrer Mutter hatte. Im Wechsel zwischen Katies und Marys Perspektive werden drei sehr unterschiedliche Frauen lebendig, die eine verworrene Familiengeschichte verbindet. Meryl Streep als Mary? Wir sehen den Film schon vor uns.

Neues von Thomas Martini, dem Mann, "der besser schreibt, als die meisten Menschen küssen" – laut der "Glamour"-Autorin Johanna Merhof: In "Clown ohne Ort" hat der 1980 geborene Martini die deutsche Clubszene untersucht, inklusive Rausch. Sein zweiter Roman, "Das Kind mit dem Spiegel" (Frankfurter Verlagsanstalt, März, 128 S., 17,90 Euro), handelt ebenfalls von Sinnsuchern und schlägt einen nicht weniger virtuosen, aber träumerischen Ton an. Es geht um Ideale, um Liebe und Glück, um Todo, seine Freunde Tom, Ada, Nora und Manon, seine Freundin, die nicht an Wachstum und Fortschritt glaubt. Es gibt übrigens ein Blog mit Materialien und Fundstücken des Autors zum Buch (http://daskindmitdemspiegel.tumblr.com).

Genau genommen ist "Geteiltes Vergnügen" Johanna Adorjáns drittes Buch. Nach dem Sachbuch "Eine exklusive Liebe" über die Beziehung und den gemeinsamen Freitod ihrer Großeltern und den Erzählungen "Meine 500 besten Freunde" ist "Geteiltes Vergnügen" (Hanser Berlin, Februar, 208 S., 19,90 Euro) aber ihr erster Roman. "Zuletzt sah ich ihn gestern Nacht. Er trug ein dunkles Hemd, er hielt sich aufrecht, nur wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass er komplett verloren war." So fängt ihr Liebesroman an. Tom ist Geiger, hat eine lange andauernde On-off-Beziehung und trifft sich exakt dreimal in der Woche mit der Erzählerin, die Journalistin ist. Tom ist der ehrliche Typ, der seiner Freundin ganz selbstverständlich erzählt, dass er noch immer mit seiner Ex schläft (und nicht nur mit ihr). Trotzdem wächst die Liebe, nur Tom schwankt zwischen Intensität und Unverbindlichkeit. Am Ende ist einer sehr traurig. Raten Sie, wer.

Es könnte für die Engländerin Naomi Wood gut laufen: Ihr Debüt "The Godless Boys" wird auf Deutsch veröffentlicht, wenn sich ihr zweiter Roman, "Als Hemingway mich liebte" (Hoffmann und Campe, März, 368 S., 20 Euro), bewährt. Südfrankreich 1926, Headley und Pauline lieben Hemingway. Das Trio hat einen schönen Sommer – ohne Garantie auf Wiederholung. Naomi Wood beruft sich auf Briefe und erzählt, wie sich die jeweiligen Frauen (und diverse mehr) an Hemingway abarbeiten. Herrlich!

"Sein oder Nichtsein", das Debüt des amerikanischen Autors Alexander Maksik, spielt im Schulmilieu. Kein Wunder, ist Maksik doch Lehrer – und seine Eltern auch. Sein zweiter Roman, "Die Gestrandete", (Droe­mer, April, 288 S., 19,99 Euro) handelt von Flucht und Vertreibung. Haupt­figur ist die 27 Jahre alte Jacqueline, die aus Afrika geflohen und an der Küste Griechenlands gestrandet ist. Das ist ­keine leichte Kost. Jacqueline ist lange stumm, dann erzählt sie von ihren Erinnerungen, von Krieg, Gewalt, dem Kampf ums Überleben. Das Ende ist weit davon entfernt »happy« zu sein, aber immerhin versöhnlich.

Der Berliner Journalist, der sich Robert Kisch nennt (Achtung, Anspielung!), hat eine Fortsetzung von "Möbelhaus" geschrieben. "Möbelhaus", das war die ­(autobiografische) Geschichte eines hoch­dekorierten Journalisten, der in der Wirtschaftskrise seinen Job verlor und in einem großen Ketten-Möbelhaus anheuerte. Mondpreise, Konkurrenz ausschalten, Bonus erschleichen, Kunden über den Tisch ziehen – es wimmelt darin vor möbelgeschäftstypischen Schweinereien. Wer den Roman gelesen hat, kauft seine Möbel anders. Jetzt hat der Ex­journalist und Exmöbelverkäufer nach­gelegt. "Glück" (Droemer, April, 320 S., 14,99 Euro) heißt sein neues Buch, Untertitel: "ein Tatsachenroman". Kisch schreibt sein Leben weiter. Das Einrichtungshaus hat ihn gefeuert, seine Frau ist gegangen (keine Überraschung) – beste Voraussetzung, um sich auf die Suche nach dem Glück zu machen. Wichtige Hinweise erhält der frischgebackene Glücksforscher unter anderem von einem Physiker, einer Zen-Lehrerin, einem Hirnforscher, einer Hospitz-Mitarbeiterin und einem ehemaligen Flüchtling.
Auf das zweite Buch folgt das dritte. Vielleicht schreibt Robert Kisch ja mal einen Liebesroman, gern autobiografisch. Jenny Downham könnte sich an starken Männerfiguren versuchen und Johanna Adorján uns hinter die Kulissen der "FAZ" blicken lassen. Abwarten.