Regionalkrimis international

So viel Niedertracht

28. Januar 2016
von Andreas Trojan
Das Böse blüht im Verborgenen, aber nicht nur in der Stadt: Krimis, die abseits der europäischen Metropolen spielen, bleiben ein reizvolles Genre – und ländliche Urlaubsregionen sind bei Autoren und Lesern besonders gefragt.

Carmargue
Der Marseiller Polizeikommandant Michel de Palma möchte sich erholen, seine Wunden pflegen. Und so fährt er in die Ca­margue. Doch die Ruhe hält nicht lange an. Der deutsche Indus­trielle William Steinert ist verschwunden und dessen Frau Ingrid bittet de Palma um Hilfe. Als die Leiche des Industriellen in den Sümpfen der Camargue gefunden wird, nimmt der Fall bedrohliche Ausmaße an. Denn bei einer Leiche wird es nicht bleiben. Spannend und historisch versiert erzählt.
Xavier-Marie Bonnot: "Im Sumpf der Camargue"  /  Unionsverlag  /  März  /  320 S.  /  21,95 €

Normandie
Es ist der zweite Fall für Nicolas Guerlain. Er gilt als einer der besten Personenschützer Frankreichs, lässt sich diesmal von dem Adeligen Aristide de Tancerville engagieren, der sich bedroht fühlt. Nette Briefe mit den Worten "Du wirst sehr bald sterben" flattern ins Haus. Der neue Job führt Guerlain wieder zurück in seine Heimat – die Normandie. Im Roman gibt es einen Parallelfall, den die Polizei von Deauville bearbeitet: Morde im Rotlichtmilieu. Aber was hat das mit Aristide de Tancerville zu tun? Benjamin Cors, Politjournalist und Deutsch-Franzose, beschreibt einfühlsam Land und Leute – mit besonderer Liebe aber seinen charismatisch-melancholischen Helden Nicolas Guerlain.
Benjamin Cors: "Küstenstrich"  / dtv premium  /  April  /  384 S.  /  15,90 €

Südfrankreich
Das Städtchen Banyuls-sur-Mer liegt idyllisch an der Côte Vermeille. Ruhe und Entspannung sind hier angesagt. Perez, Kleinganove und Hobbydetektiv in einem, würde sich gern auf seine Geschäfte konzentrieren – doch dann geht eine Yacht in die Luft und auch seine Freundin Marianne verschwindet spurlos. Ganz schlimm wird die Sache, als der neue Polizeichef Capitaine Boucher ein Auge auf ihn hat. Und plötzlich steht Perez unter Mordverdacht. Autor Yann Sola lebt in Deutschland und an der Côte d'Azur; sein Krimi um den Privatermittler Perez ist sein erster Roman.
Yann Sola: "Tödlicher Tramontane"  /  Kiepenheuer & Witsch  /  Mai  /  352 S.  /  9,99 € 

Provence 
Capitaine Roger Blanc, umgeben von den landschaftlichen Schönheiten der Provence, hat einen neuen Mordfall zu lösen. Ein Propellerflugzeug stürzt über einem Olivenhain ab, der Pilot kommt ums Leben. Viele Spuren führen zum Schloss­besitzer Hervé Bondard, der sich allerdings nicht so leicht in die Zange nehmen lässt. Auch das Privat­leben von Roger Blanc hat so seine Stolpersteine: Er ist frisch geschieden. Cay Rademacher gelingt es wieder, die Provence und mittendrin den smarten Ermittler Roger Blanc zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte zu machen.
Cay Rademacher: "Brennender Midi"  /  DuMont  /  Mai  /  304 S.  /  14,99 € 

Schottland 
Viele Jahre ist sie fort gewesen, jetzt kehrt sie zu den heimatlichen Shetlandinseln zurück: Cass Lynch. Gleich zu Beginn des Romans stolpert sie über eine Leiche, gerät unter Verdacht. Der zuständige Detective Inspector Macrae misstraut ihr. Und so muss Cass all ihr Wissen über die Inseln und ihre Bewohner aufbieten, um den Fall zu lösen (und nicht das nächste Opfer zu sein). Marsali Taylors Krimi hat einen spannenden Plot – und die Autorin kennt die Gegend wie ihre Westentasche. Das ergibt eine wunderbare Mischung aus Krimifiktion und realem Lokalkolorit.
Marsali Taylor: "Mörderische Brandung"  /  Aufbau  / 304 S.  /  9,99 € 

Öland
Brandstiftung und Morde suchen die schwedische Ostseeinsel Öland heim, die Bewohner sind verunsichert. Viele denken, dass sie den Unhold kennen: Jorma Bolin, der starke Mann der Insel. Doch in Sylvia B. Lindströms "Inselfeuer" liegen die Dinge komplizierter, wie die Anwältin Alasca Rosengren bald erfahren muss. Denn auf Öland hat fast jeder eine Leiche im Keller – und Rosengren selbst einiges zu verbergen.
Sylvia B. Lindström:  "Inselfeuer"  /  Aufbau TB  /  Februar  /  320 S.  /  9,99 € 

Husum
1843, Husum – hier lebt Theodor Storm, nicht als Schriftsteller, sondern als Rechtsanwalt. Als sein Schreiber Peter Söt eines Nachts im Wasser einen goldenen Kelch erspäht und dann auf eine Leiche trifft, nimmt der Fall seinen Lauf. Der tote Mann sei ertrunken, bei Ebbe, heißt es – das macht auch Storm stutzig, der dann mit Söt seine eigenen Nachforschungen anstellt.  
Tilman Spreckelsen: "Der Nordseespuk"  /  Fischer TB  /  Mai  /  224 S.  /  9,99 €  

Sylt 
Kriminalrat Tomas Jung und die junge Kommissarin Charlotte Bakkens ermitteln wieder – und zwar auf Sylt, der Insel der Schönen und Reichen. Vier Menschen sind spurlos verschwunden. Bis auf eine Ausnahme waren sie alle im besten Alter, hatten Geld. Für Jung und Bakkens gilt es, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und das ist nicht immer leicht, zumal ihre Arbeit anscheinend von höchster Stelle verfolgt und kontrolliert wird. Autor Reinhard Pelte schafft es auch in "Insel­götter", dem siebten Fall, Spannung und Sozialstudie zu einem gekonnten Mix zu verbinden.
Biken kann auf Sylt gefährlich sein: Eine junge Frau wird tot aufgefunden. War es ein Sexualverbrechen? Verdächtige gibt es viele, denn die Tote war attraktiv und arrogant zugleich. Eva Ehley lässt in "Sünder büßen" die Sylter Polizei in einem heiklen Fall ermitteln.
Reinhard Pelte: "Inselgötter"  / Gmeiner  /  Februar  /  375 S.  /  12,99 € 
Eva Ehley: "Sünder büßen"  /  Fischer TB  /  April  /  352 S.  /  9,99 € 

Rügen
Auch auf Rügen wird eine junge Frau ermordet aufgefunden. Sie war allerdings eine liebende Mutter. Ihr aufbrausender Ehemann scheint der Mörder zu sein. Doch dann lässt Katharina Peters in "Leuchtturmmord" ihre Ermittlerin Romy Beccare genauer recherchieren: Viele Freunde der Toten sind auf seltsame Weise ums Leben gekommen.
Katharina Peters: "Leuchtturmmord"  /  Aufbau TB  / März  /  336 S.  /  9,99 € 

Neckartal
Holger Marte, Geschäftsführer der Waffenfirma Maurer & Beck, muss sterben. Aber warum? Und: Wer ist sein Mörder? Die Sache ist nicht ganz einfach. Denn das kleine Heimstadt in der Nähe von Rottweil steht auf tönernen Füßen, wie gleich zu Beginn des Romans offenbar wird: "Heimstadt muss sterben, und es ist nur folgerichtig, dass sich bis zum Jüngsten Tag hier hinterm Bahnhof ein Schandfleck platziert, Maurer & Beck, eine hochtechnisierte Waffenschmiede, die wie ein Pingpongspiel den weltweiten Tod produziert." Der Tod ist, gewissermaßen, ein Meister aus Heimstadt. Und damit beginnt bei Uta-Maria Heim der Reigen aus politischem Filz, Macht, Habgier, Neid und eben Mord. Es gibt Passagen im gehobenen Erzählstil und anderer Typografie – und es gibt echte Anmerkungen. Das macht den Kriminalroman so interessant: Sprachlich wie inhaltlich ist er weit gespannt.
 Uta-Maria Heim: "Heimstadt muss sterben"  /  Klöpfer & Meyer  /  360 S.  /  22 €

Münchner Umland
Alex, ein begnadeter Gitarrist der 70er Jahre, soll bei einer Drogenparty seine Freundin getötet haben. Die Haft hat er zwar abgesessen, doch ob er wirklich der Mörder ist, ist unklar. Denn Alex kann sich an nichts erinnern. Gemeinsam mit Ben, der am Tourettesyndrom leidet, und Willi, der auf dem Niveau eines Kindes stehengeblieben ist. Ein schräges Trio! Doch dann passiert ein Unfall, und der Mordfall wird wieder aufgerollt. Erzählt wird das Geschehen aus der smarten Ich-Perspektive von Alex' Psychotherapeuten. Max Bronskis "Mad Dog Boogie" ist weniger ein klassischer Kriminalfall als ein Psychogramm mit kriminalistischen Elementen.
Max Bronski: "Mad Dog Boogie"  /  Kunstmann  /  208 S.  /   14,95 €