London Book Fair

Independents im Aufwind

14. April 2016
von Börsenblatt
Die unabhängigen britischen Verlage hatten 2015 Wachstumskonjunktur. Nach Jahren sinkender Printumsätze konnten sie im vergangenen Jahr erstmals wieder mehr verkaufen. Sorgen machen sich die Verlage wegen des möglichen "Brexit". Ein Austritt Großbritanniens aus der EU würde die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit europäischen Verlagen erschweren.

In der Grand Hall des Londoner Ausstellungsgeländes Olympia dominieren die Stände der großen Verlagsgruppen das Messegeschehen jedenfalls optisch – vor allem der spektakuläre Stand der Hachette Book Group UK, der über eine Aussichtsplattform verfügt. Doch auch die unabhängigen Verlage Großbritanniens, die in der Independent Publishers Group (IPG) zusammengeschlossen sind, präsentieren an ihrem Gemeinschaftsstand 80 Mitgliedsverlage. In zentraler Lage in der Grand Hall befinden sich auch die Gemeinschaftsstände Deutschlands (von der Frankfurter Buchmesse organisiert), Österreichs und der Schweiz. Schräg gegenüber liegt der französische Gemeinschaftsstand.

Die unabhängigen Verlage Großbritanniens sind zuversichtlich, meint Tom Holman, Sprecher der IPG. 600 Verlage – vom Einmannbetrieb über einige University Presses bis zu größeren Publikumsverlagen wie Faber & Faber seien Mitglied in der IPG, mehr als je zuvor. Den Gesamtumsatz, den sie mit ihren Verkäufen 2015 erzielt haben, beziffert er auf eine Milliarde Pfund (rund 1,25 Milliarden Euro). Nach einem kontinuierlichen Rückgang der Printverkäufe in den vergangenen sieben bis acht Jahren habe es 2015 erstmals einen Aufwärtstrend gegeben – auch dank der leicht gesunkenen E-Book-Umsätze.

Digitale Versionen aller publizierten Titel sind auch bei den Independents inzwischen Standard, so Holman, Ausnahmen gebe es nur bei Verlagen, die besonders schön gestaltete oder bebilderte Bände herausbrächten. Hier würden die Titel bei der Umwandlung in E-Books ihren Reiz verlieren.

Mit den großen Verlagsgruppen (Hachette UK, Macmillan, Penguin Random House UK, Bonnier u.a.) sehe man sich nicht im Wettbewerb. Viele kleinere Verlage besetzen Nischen und sind auf bestimmte Interessengebiete spezialisiert, deren Märkte und Leser sie genau kennen. Beim Vertrieb der Titel spielt der physische Buchhandel nach wie vor eine wichtige Rolle. Positive Signale kämen nicht nur aus dem unabhängigen Buchhandel, sondern auch von Waterstones. Die Kette hatte 2015 ein starkes Jahr. Dennoch ist das Gewicht des E-Commerce unübersehbar: einige unabhängige Verlage verkaufen zwischen 30 und 40 ihrer (gedruckten) Bücher via Amazon. Zugenommen hat auch der Direktvertrieb: Immer mehr Verlage verkauften über ihren Webshop direkt an Endkunden. In einem Markt ohne Preisbindung können sie so wenigstens höhere Margen erzielen, die ihnen sonst im Handels-Preiskampf verloren gehen.

Interessant ist auch, was die Independent-Verleger über einen möglichen „Brexit“ denken: Nur drei Prozent der Mitglieder würden es begrüßen, wenn das UK die EU verließe. Zu wichtig ist die Zusammenarbeit mit europäischen Verlagen, zu gut sind die Partnerschaften, als dass man sie aufs Spiel setzen würde. Dennoch ist die Sorge groß, dass die Abstimmung im Juni zu knapp für die Befürworter eines Verbleibs in der EU ausgehen könnte.

roe