Diskussion zur Zukunft der Verlage

"Jetzt hilft nur noch ein Nobelpreis"

27. April 2016
von Holger Heimann
Drei Münchner Verleger in Berlin: Felicitas von Lovenberg, seit etwa 50 Tagen Verlegerin des Piper-Verlags, Hanser-Verleger Jo Lendle und Jonathan Beck vom Verlag C.H. Beck im Gespräch über die Planbarkeit des Erfolgs und das Bild von Verlagen in der Öffentlichkeit. 

Vielleicht lässt sich über "Verlage (in) der Zukunft" am besten in Berlin diskutieren. Jedenfalls hatte das Münchner Literaturhaus in die Hauptstadt eingeladen – und in die schmucke bayerische Landesvertretung  gleich noch drei Münchner Verleger zum Gespräch eingeflogen. Gesucht wurde die Nähe zur Bundespolitik. Passend dazu kam das Eingangsstatement von der Kulturstaatsministerin. In ihrer engagierten, mit viel Beifall bedachten Rede hob Monika Grütters hervor, Autoren und Verlage hätten "ein übergeordnetes gemeinsames Interesse". Die bislang bewährte Praxis der Verteilung der VG-Wort-Einnahmen sei der "Nährboden", auf dem ein vielfältiges Verlagsleben gedeihen könne. Grütters versprach zudem, sich bei der Reform des Urhebervertragsrechts für eine Gesetzesnovelle einzusetzen, "mit der die Buchbranche gut leben kann". Sie sei jedoch ohnehin überzeugt, dass man sich in einem Land mit kreativen Verlegern um die Zukunft der Verlage und die Verlage der Zukunft keine Sorgen machen müsse.

Wie sorgenfrei ihr Alltag tatsächlich ist, das wollte der Leiter des Münchner Literaturhauses Reinhard Wittmann sodann von den drei eingeladenen Verlegern genauer wissen. Gespannt sein durfte man dabei vor allem auf den Auftritt von Felicitas von Lovenberg, bis vor kurzem noch Literaturchefin der "F.A.Z" und nun seit gerade einmal 50 Tagen verantwortlich für den Piper Verlag. "Nach 18 Jahren bei der Zeitung denkt man, dass es keinen abwechslungsreicheren und hektischeren Beruf geben kann. Ich hatte jedenfalls mit gemächlicheren Abläufen im Verlag gerechnet. Stattdessen passiert vieles im Turbotempo", beschrieb die Neu-Verlegerin freimütig die Erfahrungen der ersten Wochen. Über ihre Pläne mit dem Verlag sagte Felicitas von Lovenberg wenig. Immerhin, so viel war zu erfahren: "Der Piper Verlag hat eine große Geschichte. Es ist wichtig, das nicht zu vergessen und daran anzuknüpfen." Das Haus habe sich schon immer als Publikumsverlag verstanden mit einer "rasanten Mischung" von Titeln: Philosophie, Romane, Naturlyrik. Man wolle auch weiter ein "Vertreter des Publikums" sein.

Das Programm des Hanser Verlags ist zwar übersichtlicher und deutlicher konturiert, Jo Lendle hob trotzdem die Unwägbarkeiten des Büchermachens hervor. Ein literarischer Verlag lebe nicht vom Planen. "Wir machen Bücher, die wir lieben – begleitet von dem Gedanken, irgendwas wird schon funktionieren." Sein Vorgänger Michael Krüger habe in besonderen Flautezeiten regelmäßig ausgerufen: "Jetzt hilft nur noch ein Nobelpreis!" Dass es manchmal auch eine Nummer kleiner geht, hat der C. H. Beck Verlag gerade erfahren. 90 Prozent aller neun im Laufe der Jahre bei Beck erschienene Titel von Navid Kermani habe man in den letzten Monaten verkauft – nach der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den Autor, erzählte sein Verleger.

Doch Jonathan Beck hatte noch anderes auf einem kleinen Stichwortzettel notiert: "In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Entscheidungen gegeben, die ein Bild von Verlagen als bloße Verwerter transportieren, die Manuskripte lediglich an Druckereien weitergeben und arme Autoren dazu zwingen, für sie ungünstige Verträge zu unterschreiben", beklagte er. Wie diese Wahrnehmung zustande gekommen ist und wie sie sich korrigieren lässt, darüber gab es nur Mutmaßungen. Die Ausbreitung des Self-Publishing-Sektors habe womöglich zu einer anderen Sicht auf die Verlage geführt, sagte Felicitas von Lovenberg. "Es geht auch ohne uns. Die Einsicht tut weh, aber sie tut auch gut", glaubt Jo Lendle. Verlage seien in der Pflicht, Autoren etwas zu bieten, was diese selbst nicht leisten können. Das könnte dann Thema des nächsten Münchner Ausflugs nach Berlin sein.