Rede zum Jubiläum des Bücherecks in Vellmar

Ab jetzt: nicht mehr ins Schaufenster krabbeln

18. Juli 2016
von Börsenblatt
Mit dieser Rede hat sich Katharina Engelhardt, Inhaberin des Büchereck in Vellmar, bei den Gästen ihres Jubiläumsfests bedankt. Wir dokumentieren sie im Wortlaut - und Sie erfahren darin, womit man einer waschechten Buchhändlerin Freude macht - und was den unabhängigen Buchhandel am Laufen hält. 

"Jetzt bin ich glücklich – glücklich darüber, dass Sie alle gekommen sind, um mit mir mein Fest zu feiern und dafür bedanke ich mich ganz, ganz herzlich. Mein besonderer Dank gilt natürlich den beiden Musikern aus Frankfurt,  Jens Breidenstein und Tobias Gräfing, und  dem Autor und Festredner Dr. Rainer Moritz aus Hamburg. Ich könnte es gut verstehen, wenn Sie eigentlich wegen diesen drei Künstlern heute am Sonntag in aller Herrgottsfrühe auf den Vellmarer Festplatz gekommen sind. 

Jetzt habe ich schon mit etwas begonnen, was ich eigentlich nicht sehr gut kann und auch nicht wirklich gerne tue - nämlich: eine Begrüßungsrede halten. Ich habe mich natürlich gefragt: Warum soll ich heute an meinem Festtag, etwas tun, was ich nicht gerne mache? Und unter uns: Es muss doch auch für langweilig für Sie sein, alle fünf Jahre anlässlich eines Geburtstags immer wieder erzählt zu bekommen, warum die Gefeierte vor genau 70 Jahren geboren bin (Schuld daran sind - wäre hätte es gedacht, meine Eltern, die sich in einer Lübecker Buchhandlung kennenlernten) und wieso ich vor 50 Jahren (trotz des erheblichen Widerstandes eben dieser Eltern) nach zwei Semestern doch Buchhändlerin geworden bin und last but not least, warum ich vor nunmehr 33 Jahren ausgerechnet in Vellmar das büchereck gegründet habe. Wie langweilig!

Viel entspannter würde ich Ihnen von schönen Büchern erzählen, die ich gerade gelesen habe (Matthias Brandt, Kosmonauten) und von tollen Autoren und Büchermenschen, denen ich immer wieder begegne. Oder auch einfach von Menschen, die ich über ein Gespräch in mein Herz schließe: Zum Beispiel Jens Breidenstein: Der Sohn meines Lebensgefährten fragte mich vor etlichen Jahren nach meinem Lieblingsbuch. Ohne Titel und Autor zu nennen, erzählte ich den Inhalt des Romans über eine Tochter, die ihren Vater in Birma sucht, und nach wenigen Sätzen sagte er: Das Buch heißt doch „Herzenhören“ - habe ich gerade gelesen. Ein Roman, den bisher noch nicht viele kannten, von meinem Lieblingsautoren J.P. Sendker, der mich übrigens heute mit seinem Besuch überraschen wollte. Hat aber wegen Pauline, seiner vierjährigen Tochter nicht geklappt. Nun gut, aber Jens ist da und macht Musik für uns, und er kennt mein Lieblingsbuch. Und nun komme ich noch einmal auf meinen Herzensautoren Sendker: Er hat vor zwei Jahren einen Tag als Buchhändler bei uns gearbeitet, um mal selbst live und in Farbe diesen knochenharten Job kennenzulernen. 

Das verbindet ihn wiederum mit Dr. Rainer Moritz, der vor einem Jahr auch während der Woche der Unabhängigen Buchhändler im November einen Tag zum Buchhändler in Vellmar wurde. Aber von ihm brauche ich hier an dieser Stelle nicht zu schwärmen, weil Sie ihn gleich bei dieser Tätigkeit zuhören dürfen, die ich nicht besonders gut kann und nicht besonders mag - er umso besser: eine Rede halten. Er hat sich vorgenommen, sein wieder aufgelegtes schönes Buch "Die Überlebensbibliothek" (das Sie heute auch kaufen können) mit dem Überleben einer Buchhändlerin kunstvoll zu verknüpfen. Oder vielleicht auch etwas ganz anderes - das werden Sie nachher erfahren.

Ich könnte auch stundenlang darüber reden, wo und wie ich meinen Lebensgefährten H.-J. Breidenstein aus Frankfurt kennenlernte, nämlich beim Retten des gebundenen Ladenpreises für Bücher, wovon wir alle heute noch profitieren. Aber sorry, mehr darüber kann man wohl in einer Begrüßungsrede, die eigentlich keine solche sein möchte, nicht erzählen. Aber ich will unbedingt noch sagen, dass wir ihm dieses Fest heute verdanken, denn es ist sein Geburtstagsgeschenk zu meinem 70. Und 50. „Dienstjubiläum“ Und zum 33. Büchereck-Geburtstag.

Er hat übrigens vor einem Jahr bei seinem Geburtstagsfest gesagt, dass ich der friedfertigste Mensch sei, den er kennt. Ob das meine fünf tollen Mitarbeiterinnen auch so sehen , wage ich zu bezweifeln, aber ich kann Ihnen verraten, dass ich ohne sie dieses Fest auch nicht feiern würde, denn sie sorgen dafür, dass ich immer noch nicht aufhören kann mit dem Buchhandeln. Dafür möchte ich mich natürlich bei ihnen bedenken, liebe Birgit Schmidt, Bianca Kuppe, Claudia Hartmann, Andrea Kanngieser, Nadine Sälzer. Sie armen müssen auch heute ein bisschen arbeiten, weil wir natürlich die Bücher unseres Autors und Redners Rainer Moritz heute auch mit einem Büchertisch präsentieren. Ich habe zudem noch eine schlechte Nachricht für die fünf büchereck-Damen: Ab sofort bin ich die 70-jährige Chefin, die keine Balanceakte im Schaufenster mehr macht, um ein Buch rauszuhangeln oder sonstige Verrenkungen, die manchmal notwendig sind: Dafür bin ich jetzt zu alt!

Mit diesem Totschlagargument kann ich allerdings bei meinen wunderbaren Mitstreitern des Literaturvereins nicht argumentieren, denn darin unterscheiden wir uns leider alle nicht. Aber bedanken möchte ich mich bei Ihnen an dieser Stelle mit lautem Tusch. Danke, liebe Renate Blobner, Armin Ohlwein, Hans-Jürgen (Gerlach) und natürlich auch HJB.  Mit Euch macht die Arbeit für den Verein, für den Sie, meine lieben Gäste, so reichlich gespendet haben (oder es noch tun werden) unglaublich viel Spaß.

Und jetzt ist es natürlich höchste Zeit, noch einmal über den Menschen zu sprechen – Begrüßung hin oder her, der einen großen Teil dazu beträgt, dass ich in den letzten Jahren entspannt durchs Leben gehen konnte, weil sich der Mann an meiner Seite im Zweifelsfalls um alles kümmert. Ob privat, beruflich oder für den Literaturverein. Er hilft und gibt Ratschläge und wollte mir am liebsten meine Rede schreiben, weil ich selbst… das durfte er aber nicht! Danke, lieber Hans-Jürgen, dass Du seit nunmehr 13 Jahren meine vielen Macken so gut aushältst, obwohl Du alles andere als der friedfertigste Mensch bist, den ich kenne, aber dafür könnte ich Dich mit anderen Superlativen überschütten, die ich jetzt nicht vor 170 Gästen erläutern möchte. Was ich laut sagen kann ist, dass ich es ohne Dich nicht so gradlinig durch die zunehmend technisierte Welt in meinem Metier gekommen wäre und möglicherweise deswegen aufgegeben hätte. Viele Konjunktive, aber die sind ja das spannende in unserem Leben. Das überstrapazierte Wort Danke fasst dieses alles nur unzureichend ein.

Aber es muss jetzt nochmal herhalten, denn natürlich bedanke ich mich zum Schluss bei Ihnen, meinen lieben Gästen. Ich kann hier natürlich nicht alle Namen der Menschen nennen, über deren Kommen ich mich besonders freue. Es wären genau 170, was wohl recht ermüdend für uns alle wäre. Obwohl der erste Platz eigentlich den Honoratioren der Stadt gelten müsste, will es anders machen, denn für mich steht an erster Stelle ein ganz großes Dankeschön an meine Freundin Gisela Müller-Frank, die meinen beruflichen und privaten Weg fast seit 50 Jahren begleitet und mir vor 33 Jahren eine Woche bei der Eröffnung des bücherecks geholfen hat. Danke, dass Du trotz vieler Widrigkeiten aus Köln gekommen bist, und bedanken möchte ich mich auch bei meinen anderen Kölner Freundin und Kollegin Roswitha Buth-Heinemann und ihrem Mann Heinz. Toll finde ich auch, dass Du, liebe Petra Scheschonka für Deine ehemalige Ausbilderin aus Frankfurt gekommen. Der Vellmarer Bürgermeister Manfred und Bettina Ludewig sind gekommen, der Stadtverordnetenvorsteher Ralf Franke, ebenso wie Dr. Udo und Ria Schlitzberger, unser ehemaliger Landrat.  Außerdem ist es mir eine besondere Freude, dass Sabine Wackernagel und Karl Garff mit dabei sind. Am längsten kennt mich übrigens von allen Menschen meine Schwester Ortrud, die mit ihrem Mann Detlef Siebert kurz ihren Urlaub unterbrochen haben. Und natürlich finde ich auch toll, dass Wolfgang Hartwig, der gerade pensionierte Leiter der Ahnatalschule heute hier ist, dem wir auch noch zum Geburtstag gratulieren dürfen. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie gestern noch ihren 65. gefeiert. Trotzdem sind Sie gekommen, und müssen wohl auch gleich wieder weg, weil Sie schon wieder eine Dienstreise machen müssen. Am Sonntag, zwei Tage nach der Pensionierung!

Es gibt jetzt noch weitere Reden von Menschen, die es sich nicht nehmen lassen wollten, ihre Glückwünsche an mich in schöne Worte zu fassen. Sie tun es alle freiwillig, was ich hemmungslos bewundere. Aber jetzt erstmal Bühne frei für Jens und Tobias."