Canetti Stiftung in Zürich gegründet

Kritische Gesamtausgabe von Elias Canetti geplant

27. März 2017
von Börsenblatt
Johanna Canetti, die Tochter des Schriftstellers Elias Canetti, hat im März 2017 in Zürich die gemeinnützige Canetti Stiftung ins Leben gerufen − um die Erschließung des Nachlasses ihres Vaters sicherzustellen. In den kommenden zwanzig Jahren soll die erste kritische Gesamtausgabe erarbeitet werden.

Die Canetti Stiftung wird von einem dreiköpfigen Stiftungsrat geführt, dem neben Johanna Canetti die Rechtsanwältin Karen Schobloch und der Canetti-Herausgeber Kristian Wachinger angehören. Das Trio will in den kommenden beiden Jahrzehnten die erste kritische Gesamtausgabe Canettis erarbeiten, wie die Stiftung in einer Mitteilung informiert.

Der Nachlass dieses vielzitierten Jahrhundert-Intellektuellen und seiner ersten Frau, der Schriftstellerin und Dramatikerin Veza Canetti, berge wertvolle Schätze, die nach dem Willen des Autors erst allmählich gehoben werden dürfen: Die letzte von ihm gesetzte Sperrfrist laufe 2024 ab.

"Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes", so lasse der spätere Nobelpreisträger Elias Canetti (1905–1994) im Jahre 1960 sein Hauptwerk "Masse und Macht" beginnen. Canetti, dessen Lebensspanne fast das gesamte zwanzigste Jahrhundert umfasst, der vom Unterlauf der Donau stammte, der in Manchester, Zürich und Frankfurt aufwuchs, in Wien studierte und seinen Roman "Die Blendung" schrieb, der von dort vor den Nationalsozialisten nach London flüchtete und Jahrzehnte nach Kriegsende nach Zürich zog, sei der Inbegriff eines europäischen Kosmopoliten. "Die Blendung" und seine Dramen gehören zum Besten der deutschen Literatur vor dem Zweiten Weltkrieg, mit seiner mehrbändigen Lebensgeschichte ist er der Chronist verschwundener Welten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sein philosophisch-anthropologisches Hauptwerk "Masse und Macht", sein "Aufzeichnungen"-Werk und seine Essays zu literarischen und soziologischen Themen spiegeln sein einzigartiges kritisches Denken, so die Stiftung weiter.