Lieblingsbuchhandlung: Akos Doma über die Buchhandlung Cebulla in Eichstätt

Eine Bücherkapelle

26. April 2017
von Börsenblatt
Akos Doma über die Buchhandlung Cebulla in Eichstätt, die Lesern das Tor zu anderen Welten aufstößt.

Als es mich in einem gefühlt anderen Leben, genauer Mitte der 80er Jahre, nach Eichstätt verschlug, war sie schon da: die Buchhandlung Cebulla. In einem einfachen, wunderbar proportionierten Haus an der hinteren Flanke der Schutzengelkirche. Lang und schmal, wie hingekleistert an die mächtige Kirchenwand. Irgendwann verirrte ich mich in den Laden. Und kehrte fortan immer wieder zurück.

Jedesmal blieb ich hängen, nicht unbedingt des Buchs wegen, das ich haben wollte, sondern wegen der anderen Bücher, die bei Christof Cebulla auf den sauber geordneten Regalen standen. Vor allem Belletristik. Klassiker und Moderne, Titel, Schriftsteller, die mir etwas sagten. Kein Stolpertisch mit den Exemplaren der "Spiegel"-Bestsellerliste, die mir ohnehin nichts gesagt hätte, von der ich mir auch nichts hätte sagen lassen. Nein, Literatur, richtig gute, von A wie Aitmatow bis Z wie Zweig. Sorgfältig ausgewählt, nach Qualität, nicht Aktualität. Geistige Nachhaltigkeit, bevor es den Begriff dafür gab.

Es war ein anderes Leben damals, eine andere Welt. Eichstätt war noch nicht für den Massentourismus freigegeben, in der Universitätsmensa gab es noch Porzellanteller statt Plastiktabletts, und Bücher hatten noch eine Menge mit Papier zu tun. Buchhändler war Christof Cebullas Traumberuf gewesen, er fing mit dem Elan eines Bildungsauftrags an. Er drückt es kulinarisch aus: Ein gutes, solides Speiserestaurant habe er eröffnen wollen, im Laufe der Jahrzehnte aber miterleben müssen, wie die Nachfrage immer mehr Richtung Fast Food, Big Macs und Pommes, also bluttriefender Thriller und alberner Komödien im Comedystil ging. Für ihn waren, sind Bücher etwas anderes, etwas Magisches, Türen und Fens­ter in andere Welten. Freunde, die bleiben, keine "Books to go", die nach der schnellen Lektüre im Papierkorb landen. In sein Glück, ein Buchhändler zu sein, mischt sich inzwischen Trauer, dass das in seinem Sinn des Wortes langsam zu etwas Anachronistischem wird.

Zur Buchhandlung hat es Christof Cebulla nicht weit. Nur ein paar Treppenstufen. Er wohnt oberhalb des Ladens, Laden und Wohnung gehen ineinander über, eine kleine Galerie für Foto-, Bilderoder Keramikausstellungen gehört auch dazu. Tritt man ein, kann es schon mal passieren, dass man ihn im Laden kochend oder in der Küche lesend antrifft, dort, mit halbem Bein in der Buchhandlung, seien auch seine Kinder aufgewachsen, Tag für Tag hätten sie miterlebt, was ihr Vater tat, arbeitete. Buchhandlung, Leben und Kunst als Gesamtkunstwerk, Arbeit vor der Entfremdung.

Eigentlich sei es ihm nur wie Thomas a Kempis ergangen, hat er einmal zu mir gesagt: "Überall suchte ich Ruhe und fand sie nirgends außer in einer Ecke mit einem Buch." Eine solche Ecke hat Christof Cebulla eingerichtet, voller Schätze, dicht an dicht. Eine kleine Bücherkapelle an der Kirchenwand, im ehemaligen Torwachenhaus. Das dazugehörige Stadttor ist längst verschwunden, das andere, unsichtbare Tor jedoch, das Tor in unbekannte, geheimnisvolle Welten, das Bücher für ihn immer schon waren, hütet Christof Cebulla, für sich und für andere.

Akos Doma, 1963 in Budapest geboren, ist hier Stammkunde. Er arbeitet als Autor und Übersetzer und lebt mit seiner Familie in Eichstätt. Sein Roman "Der Weg der Wünsche" (Rowohlt Berlin) war 2016 für den Deutschen Buchpreis nominiert.