Interview mit Schwabe-Verlagsleiterin Susanne Franzkeit

"Luft im Markt"

4. Mai 2017
von Börsenblatt
Der Schwabe Verlag ist auf Modernisierungskurs und will sein Programmspektrum deutlich erweitern. Verlagsleiterin Susanne Franzkeit über die Strategie – zu der auch eine neue Dependance in Berlin gehört.

Seit 1. Oktober leiten Sie Schwabe in Basel, den ältesten Verlag der Welt. Welche Aufgabe hat jetzt höchste Priorität?
Es ist ein ganzes Bündel an Aufgaben zu erledigen. Unsere gemeinsame Strategie ist es, das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln und Programmschwerpunkte zu setzen. Wir wollen im Verlag die Digitalisierung vorantreiben und neue Workflows etablieren. Diesen Sommer starten wir die Plattform "Schwabe Online", auf der wir zunächst das "Historische Wörterbuch der Philosophie" in einer Datenbank zugänglich machen wollen. Diese steht auch anderen Verlagen offen. Außerdem möchte ich eine konsequente Open-­Access-Strategie umsetzen, die auf "Open Access Gold" basiert – also auf Publikationen, die sofort mit Erscheinen der Druckversion frei zugänglich sind und dafür von Autoren oder Institutionen finanziert werden. Dabei denke ich auch an die Möglichkeit, diese Open-Access-Inhalte auf eigenes Risiko weiterzuentwickeln und zu vermarkten – hier kann unsere verlegerische Kompetenz, Inhalte zu veredeln, zum Zuge kommen.

Wie wollen Sie das Verlagsprogramm weiterentwickeln?
Wir haben ein geistes- und kulturwissenschaftliches Programm und verlegen zudem Bücher mit Bezug zu Basel, unserem Standort. Schwabe wird vorwiegend mit Schweizer Themen identifiziert, das soll sich ändern: Um die Ausweitung unseres Programms in den deutschsprachigen Raum zu stärken, haben wir Ende April die Schwabe Berlin GmbH gegründet. Nach den Verlagsverkäufen der letzten Monate – man denke nur an den Erwerb von Schöningh und Fink durch Brill – sehen wir durchaus Luft im Markt, zumal uns einige Autorinnen und Autoren schon als Alternative zu ihren bisherigen Verlagen sehen.

Werden Sie das Programmspektrum erweitern?
Thematisch sind wir bisher sehr gut in den Bereichen Philosophiegeschichte und Altertumswissenschaften aufgestellt, wir wollen aber das Spektrum auf die gesamte Philosophie erweitern. Dazu haben wir einen Lektor für die Programmentwicklung Philosophie eingestellt. Auch unsere übrigen geistes- und kulturwissenschaftlichen Schwerpunkte möchten wir erweitern, etwa mit Titeln zur überregionalen und deutschen Geschichte.

Planen Sie Vertriebsinitiativen für den deutschen Markt?
Schwabe setzt aktuell schon zwei Drittel seiner Buchproduktion in Deutschland um; die Auslieferung erfolgt über SVK. Im stationären Sortiment werden wir durch Hans Frieden vertreten, der beispielsweise unsere Reihe Reflexe hervorragend platziert hat. Wir müssen aber künftig mehr für die Sichtbarkeit unseres wissenschaftlichen Programms tun, besonders im Bibliotheksgeschäft.
 
Nehmen Sie strukturelle Veränderungen im Verlag vor?
Die Aufgabenprofile wandeln sich, es wird personelle Neubesetzungen geben, und es werden Leistungen outgesourct, um Spielraum für die Programm­entwicklung zu schaffen. Wir wollen vor allem das Know-how im Digitalen stärken – auch im Hinblick auf einen wachsenden Anteil an digitalen Produkten. Es ist wichtig, dass der Verlag Tradition mit Innovation und einem modernen Selbstverständnis verbindet.

Wo soll Schwabe in einigen, sagen wir, in etwa fünf Jahren, stehen?
In fünf Jahren haben wir ein klar konturiertes, aktuelles und nachgefragtes Programm – digital wie Print – mit erkennbaren Schwerpunkten in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Die Entwicklung eines Sachbuch­bereichs mit regionalem Bezug in Basel wie Berlin werden wir angestoßen haben. Wir wollen konkurrenzfähig im deutschsprachigen Raum sein. Sehr wichtig erscheint mir, den Verlag von den Inhalten her zu denken und die passenden Marketing- und Vertriebs­aktivitäten dann hieraus abzuleiten – nicht umgekehrt.