Die Sonntagsfrage

"Was hat der Gewinnerrechner gebracht, Herr Wohlgenannt?"

9. Juni 2017
von Börsenblatt
Vor einem Jahr hat der Buchhändler Günter Wohlgenannt (DAS BUCH, Dornbirn) seinen Gewinnerrechner für mehr Kostenbewusstsein im Buchhandel ins Netz gestellt. Der zieht vom Ladenpreis alle Kosten des Buchverkaufs ab – bis am Ende kaum etwas übrig bleibt. Was hat es gebracht? Günter Wohlgenannt zieht in der Sonntagsfrage Bilanz.

"Willst du dich deines Wertes freuen, so musst dem Buch du Wert verleihen!" Dieses leicht abgewandelte Goethe-Zitat, stelle ich meiner Antwort auf die Sonntagsfrage voran! Auf den "Gewinnerrechner" wird laufend zugegriffen. Die dort bereitgestellte Kalkulationstabelle ist aber nur ein Teilaspekt meines Seminarprogramms, das die Entwicklung im Buchhandel beleuchtet und Lösungsansätze aufzeigt.

Dem, der alleine den Gewinn oder Verlust eines Buches durchrechnet, wird sich der Sinn des Gewinnerrechners nicht erschließen. In meinen Workshops vermittle ich, dass wir Buchhändler nur dann eine Zukunft haben, wenn wir mehr Effektivität entwickeln, statt "nur" immer noch effizienter zu werden. Das heißt, wir müssen die richtigen Dinge tun und nicht nur das, was wir schon immer getan haben, immer noch weiter perfektionieren.

Branchengrößen mit Weitblick haben schon vor zehn Jahren und mehr darauf hingewiesen, dass der Durchschnittswert des Buches hinter den Kostensteigerungen hinterherhinkt. Hier kurz einer von mehreren Ansätzen, wieso die Wertanpassung trotz aller Bemühungen noch nicht gelungen ist. Wir haben den Fokus auf zahlreiche durchaus wichtige Punkte gerichtet (Buchpreisbindung, Umsatz pro Kunde / Mitarbeiter / Quadratmeter…), eine für unsere Branche ganz essentielle Kennzahl scheint aber bei der Auswertung von Betriebsergebnissen schlichtweg nicht auf. Es sind die durchschnittlichen Handlungskosten pro Buch. Branchenkolleginnen und -kollegen sind regelmäßig überrascht, wenn sie diesen Durchschnittswert für ihre eigene Buchhandlung errechnen. Stellen wir uns doch einmal einen erfolgreichen Produktionsbetrieb vor, dessen Verkaufsabteilung für die Gestaltung der Artikelpreise zuständig ist.

Ein engagierter Abteilungsleiter analysiert den Markt und die Preise der Konkurrenz und legt auf Grund dieser Fakten die Verkaufspreise fest. Trotz beachtlicher Absatzzahlen schlittert der Betrieb nach einigen Jahren in den Konkurs. Es stellt sich heraus, dass der verantwortliche Manager vergessen hatte, in der Produktion und im Personalbüro nachzufragen, welche Wertsteigerungen abzudecken sind, um die betriebswirtschaftlich erforderliche Kostendeckung zu erreichen. Möglicherweise könnte ein solcher Verkaufsleiter angeklagt werden, nicht ordnungsgemäß gewirtschaftet und dadurch Verluste fahrlässig
herbeigeführt zu haben.

Unsere Branche verhält sich oft wie dieser Manager. Verlage beachten bei der Preisgestaltung zwar viele Faktoren. Welche Mindestmargen wir Buchhändler für unser Überleben benötigen, werden sie aber erst dann in vollem Umfang berücksichtigen können, wenn der Buchhandel die nötigen Zahlen kennt und kommuniziert. Wer auch immer diesen Informations-Austausch behindert, gefährdet letztendlich die wirtschaftliche Grundlage des Buchhandels und die kulturelle Vielfalt. In Zeiten, in denen die Kundenfrequenz stagniert oder sinkt, engagiere ich mich mehr denn je und auch über die Grenzen meines Landes hinaus für neue Lösungsansätze. Erst kürzlich gab ich einen eintägigen Buchhandelszukunft-Workshop in Wien. Auf Anfrage bin ich auch in Deutschland unterwegs. Interessenten werden aber verstehen, dass meine Präsenz als Geschäftsführer einer Buchhandlung Vorrang hat und daher mit Wartezeiten zu rechnen ist.

Hier geht es zum Gewinnerrechner!