Interview mit Axel Scheffler

"Früher hab' ich von 9 bis 18 Uhr am Zeichentisch gesessen"

31. Januar 2018
von Börsenblatt
170 Bilderbuch-Begeisterte staunten in Bockenheim, als Axel Scheffler und Philip Waechter lasen und mit sichtlichem Spaß nach Stichworten der Kinder um die Wette zeichneten. Am Ende einer riesenlangen Signierschlange nahm sich Scheffler noch Zeit für ein Gespräch.

Sie haben heute auch aus Ihrem und Julia Donaldsons jüngsten Bilderbuch "Die hässlichen Fünf" vorgelesen, das sich einem im Kinderbuch eher seltenen Thema widmet: der Hässlichkeit. Wobei die Tiere sehr liebenswert und sympathisch gezeichnet sind ...
Es gab tatsächlich die Überlegung seitens des Lektorats, vielleicht auch von Julia, die Tiere viel übertriebener, nahezu grotesk darzustellen. Aber ich habe mich dazu entschieden, sie naturalistisch zu illustrieren, um ihre natürliche Würde zu wahren – Tiere können nicht hässlich sein. Außerdem werden Begriffe wie Schönheit und Hässlichkeit letztlich immer subjektiv empfunden: Auch innerhalb dieses Bilderbuchs finden die Tierkinder ihre Eltern schön, obwohl diese sich selbst als hässlich bezeichnen.


Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob sie Illustrationen zu einem Manuskript anfertigen möchten?
Ich arbeite mit drei Verlagen zusammen, von denen mir Manuskripte zum Illustrieren angeboten werden. Julia Donaldson beispielsweise reicht die Texte, bei denen sie sich Illustrationen von mir wünscht, auch mit diesem expliziten Vorschlag an den Verlag weiter. Mir ist wichtig, dass mich die Geschichte inhaltlich überzeugt und mir zusagt, sie muss mich inspirieren. Neue Themen sind auch immer wieder eine schöne Herausforderung.

Würden Sie auch Sachbücher für Kinder illustrieren, die die Themen auf humoristische Weise umsetzen?
Ja, das könnte ich mir durchaus vorstellen – in England gibt es dafür einen großen Markt.

War es eine bewusste Entscheidung, dass Sie sich so intensiv dem Illustrieren von Kinderbüchern gewidmet haben? 

Das war nicht immer so; in meiner Anfangszeit als Illustrator in England habe ich überwiegend Artikel für Zeitschriften illustriert. Dass mein Schwerpunkt heute auf den Kinderbüchern liegt – sie machen rund 95 Prozent meiner Arbeit aus – , hat sich erst im Laufe der Zeit ergeben. Für Erwachsene illustriere ich selten, in letzter Zeit haben diese Illustrationen dann vor allem den Brexit als Thema gehabt.

Hat der Brexit Ihre Popularität in Großbritannien beeinflusst?

Nein, ich denke nicht. Der "Guardian" und die "Süddeutsche" haben mich darum gebeten, Zeichnungen zum Brexit anzufertigen, aber ich habe den Eindruck, dass sie in Deutschland weitaus stärker wahrgenommen worden sind und populärer waren als in England. 

Was ist für Sie das Besondere am Illustrieren von Kinderbüchern? Was begeistert Sie daran? 

Nun, es heißt ja, dass die Illustratoren von Kinderbüchern im Grunde selbst noch ein Kind geblieben sind ... Es ist einfach schön zu sehen, was illustrierte Bücher den Kindern und ihren Familien bedeuten und wie sie ihre Begeisterung dafür miteinander teilen können. Kinder geben immer ein sehr motivierendes Feedback auf die Illustrationen. Kinder sind einfach toll!

Es scheint, als hätten Sie heute viel Spaß gehabt, den Kindern Ihre Bücher zu präsentieren und für sie zu malen. Kommen Ihnen im Austausch mit den Kindern neue Ideen oder Sichtweisen, die sich auf Ihre Arbeit auswirken?
Nein, das ist nicht der Fall.

Gerade konnten wir Ihnen beim Illustrieren über die Schulter schauen, Sie haben mit Aquarellfarben und Buntstiften koloriert, Sie setzen auch Highlights mit Gouache: Wie sind Sie zur Kombination dieser verschiedenen Maltechniken gekommen und wie haben Sie Ihren sofort wiedererkennbaren Stil gefunden? 
Das hat sich entwickelt. Letztlich habe ich mich dafür entschieden, weil die Leuchtkraft der Farben in dieser Kombination am stärksten ist – und das wiederum sowohl bei den Lesern als auch bei den Verlagen gut ankommt. Mein Stil ist erst mit der Zeit entstanden. Meine Illustrationen in dem Bilderbuch "He Duda" beispielsweise sind noch sehr flach und einfach dargestellt, mit den Jahren ist der Detailreichtum meiner Bilder dann immer mehr gewachsen.

Gibt es einen typischen Arbeitsalltag als Illustrator, eine Routine, die für Sie mit dem Illustrieren verbunden ist? 
Über Jahre hatte ich einen routinierten Tagesablauf und habe zwischen 9 und 18 Uhr am Zeichentisch gesessen. Inzwischen bleibt dafür weniger Zeit, viele administrative Aufgaben sind dazu gekommen, wie etwa das Beantworten von Anfragen. Außerdem bin ich für Lesereisen und Veranstaltungen immer wieder unterwegs, auch weltweit. All das kostet Zeit.

Ende vergangenen Jahres sind Sie 60 geworden:  Gab es im Rahmen Ihrer Arbeit als Illustrator einen besonderen Moment? Und gibt es ein Herzens-Projekt, das Sie in nächster Zeit gerne umsetzen möchten?
Nein, weder das eine noch das andere. Die rund 30 Jahre, die ich bisher als Illustrator arbeite, waren eher ein langer Fluss, was auch zu Frustrationen führen kann. Natürlich kann der "Grüffelo" als Highlight betrachtet werden, aber so hat es sich für mich gar nicht angefühlt, und auch das war nicht dieser eine besondere Moment. Der Beruf des Illustrators ist toll und privilegiert – aber auch das kann manchmal zur Last werden.