"Besitz verliert seinen Reiz"

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) schaut den deutschen Buchkäufern in die Seele – und vieles von dem, was die Marktforscher dort finden, markiert eine Zeitenwende. Zu Jahresbeginn informierten die Konsumforscher über drastische Käuferverluste (im Archiv: Der Buchmarkt verliert vor allem jüngere Käufer) und stiegen vergangene Woche auf der Leipziger Buchmesse noch einmal etwas tiefer in die Daten ein – um zu erklären, wie es überhaupt so weit kommen konnte.
Immer weniger kaufen spontan, immer weniger verschenken BücherSeit 2010 geht es für die Buchbranche im Publikumsmarkt rückwärts, der Absatz sinkt, die Zahl der Käufer schrumpft seit 2012. Ende 2017 gaben 29,6 Millionen Deutsche an, in den zurückliegenden zwölf Monaten (mindestens) ein Buch gekauft zu haben – 2010 waren es noch 35,9 Millionen, 2012 sogar 36,9 Millionen gewesen. Schlaglichter auf die Marktentwicklung der vergangenen Jahre werfen die folgenden Zahlen:
Das ist der Status quo. Robert Kecskes, Senior Insights Director bei der GfK, stellte seinen Vortrag unter den klingenden Titel "Die Digitalisierung und das Geistesleben" – in Anlehnung an den großen Soziologen Georg Simmel ("Die Großstädte und das Geistesleben", 1903). Und das passte: Kecskes schlug einen großen Bogen, beschrieb die Käufergenerationen seit 1945 – bis hinein in die Jetztzeit, in die, wie er sie nannte, "Fluide Moderne der Gegenwart".
Fluid deshalb, weil sich Grenzen und Bindungen sukzessive auflösen, wie Kecskes in Leipzig berichtete. Weil sich das Leben der jungen Generationen "verflüssige", Beziehungen, egal welcher Art, immer unter Vorbehalt stünden, es eine Inflation der Möglichkeiten gebe. "Besitz verliert da seinen Reiz", erklärte der Marktforscher und machte seinen Zuhörern auf der Buchmesse wenig Hoffnung, dass es zu diesem Trend zeitnah eine Gegenbewegung geben könnte.
Entwarnung kam von ihm nur in einer Hinsicht: "Kontemplation und Kreativität verbinden die Menschen auch heute noch mit dem Buch." Kecskes ist deshalb überzeugt davon, dass Bücher Zukunft haben – und zwar als reale, nicht-digitale Rückzugsorte.