Lieblingsbuchhandlung: Bettina Wilpert über el libro in Leipzig

Connewitzer Punk

26. Oktober 2018
von Börsenblatt
Bettina Wilpert wurde 1989 geboren und lebt heute in Leipzig. Ihr viel beachteter Debütroman "Nichts, was uns passiert" ist im Frühjahr im Verbrecher Verlag erschienen. Bücher kauft sie bei el libro, wo sie immer wieder findet, was sie sucht. 

Als ich neun Jahre alt war, verbrachte ich einen Nachmittag pro Woche in der Buchhandlung Dr. Naue in Altötting, wo meine Mutter arbeitet. Ich saß in der Kinderabteilung auf dem Teppichboden und las, manchmal stolperte eine Kundin über mich. Damals war ich in meiner Thomas-Brezina-Phase und habe "Tom Turbo", das "Tiger-Team" und "Die Knickerbocker-Bande" verschlungen.

Heute lebe ich in Leipzig, meine Lieblingsbuchhandlung liegt um die Ecke. Wenn ich aus dem Haus gehe, muss ich durch ein Spalier aus Suffpunkern durch, die zu jeder Tageszeit vor dem Späti Roni abhängen und Sterni trinken, dann geht es weiter die Bornaische Richtung Connewitzer Kreuz, links liegt der Netto, ebenfalls bevölkert von Alkoholikern, aber sie sind ein bisschen älter und ein bisschen fertiger als die vor Roni. Ich gehe am Vegan Express vorbei und betrete durch das linXXnet den el libro.

Das linXXnet ist das Projekt- und Abgeordnetenbüro von Juliane Nagel, die für den Leipziger Süden im Sächsischen Landtag sitzt. Jule kennt jeder im Viertel. Im LinXXnet finden Vorträge statt oder man kann Lautsprecher für eine Demo ausleihen. Seit 2000 teilt sich der el libro mit dem linXXnet die Räume. Alles hat als Versand angefangen, erzählt Thomas Merten, der Geschäftsführer vom el libro. Allerdings ist er das nur auf dem Papier, die Buchhandlung wird kollektiv organisiert. Einen kleinen Buch­laden gab es schon Anfang der 90er im damals besetzten Zoro, einem Punkschuppen in Connewitz. Im Zuge der Novemberkrawalle von 1992 drängte die Stadtverwaltung, die Besetzungen aufzugeben; el libro zog in das Wohn- und Kulturprojekt B12.

Meistens gehe ich zum el libro, wenn ich etwas bestellt habe. Natürlich muss ich dann ein bisschen länger im Laden bleiben; rechts an der Wand, wenn man reinkommt, sind ausgewählte Zeitschriften, einige davon werden in Leipzig produziert: das feministische Magazin "Outside the Box", die Literaturzeitschrift "P. S. Politisch Schreiben" oder die linke Zeitschrift "Phase 2". Der Raum ist durch Bücherregale dreigeteilt, im ersten Teil steht ein großer Tisch mit aktuellen Hardcoverausgaben. Eine meiner liebsten Sektionen ist die Belletristik Osteuropas, und ich entdecke, dass eins meiner Lieblingsbücher, "Die Fünf" von Vladimir Jabotinsky, endlich als Taschenbuch erschienen ist. Ich durchstöbere die Bücher und denke, dass ich endlich "Das achte Leben (Für Brilka)" von Nino Haratischwili lesen muss.

Die Krimis überspringe ich und gehe zur nächsten Abteilung: Gender. Der el libro hat mich noch nie enttäuscht, die feministischen Bücher, die ich kaufen will, sind immer da: "Feministisch streiten" von Koschka Linkerhand, "Vergewaltigung" von Mithu Sanyal oder "Schlampen mit Moral". Um die Ecke hat el libro eine hervorragende Auswahl an politischen Sachbüchern zu Afrika, Latein­amerika und Asien.

Das LinXXnet muss bald umziehen, weil es Konflikte mit der Vermieterin gab. Aber neue Räume wurden schon gefunden. Der el libro muss zum Glück nicht weichen, so bleibt der Bornaischen ein wichtiger Ort erhalten: der el libro.