Der Ort für diese Buchpremiere sei ideal gewählt, meinte Clemens Greve, Geschäftsführer der Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen: »Wenn man dieses Haus betritt, gelangt man auf eine Insel. So ist es auch mit der Dichtung, die sich eine Insel sucht, um in Ruhe entstehen zu können.« Und gehört werden zu können: Alle Sitzplätze in dem schon im Spätmittelalter bezeugten architektonischen Kleinod das nur über eine schmale Brücke zugänglich ist waren besetzt, und Reiner Kunze äußerte zu Beginn der Lesung seine Sympathie mit den stehenden Zuhörern, die im Erdgeschoss per Lautsprecher den Versen lauschten. Im Publikum saßen nicht nur Kunzes Frau, sondern zahlreiche Bekannte und Vertraute unter ihnen auch Monika Schoeller, die Verlegerin von S. Fischer.
Der 74-jährige Kunze selbst stand während der Rezitation und trug einige seiner Gedichte auf Wunsch auch ein zweites Mal vor. Landschaftsimpressionen, Wolkengebirge, Reminiszenzen an die Jugend im erzgebirgischen Bergarbeitermilieu, aber auch mythologische Motive sind die Themen dieser jüngsten Sammlung. Stellvertretend sei die »Variation über das Thema Philemon und Baucis« zitiert:
»Tröstlich wär's, jahrhunderte noch / einander mit den zweigen / berühren zu dürfen / und die linde / stünde dir
Am wesen der eiche jedoch / würde ich leiden, das mark des holunders / spür ich in mir«
Der Gedichtband »lindennacht« ist bei S. Fischer erschienen, hat 112 Seiten und kostet 17,90 Euro.