Meinung

Einverleibt mit Haut und Haar

14. September 2007
Redaktion Börsenblatt
Nachfolge - "In Familienunternehmen grenzt sie an Körperverletzung", schreibt Birger Priddat, Präsident der Privaten Universität Witten / Herdecker. Welche Erfahrungen haben Sie mit Nachfolgefragen in Familienunternehmen gemacht?
Nachfolgeprobleme gibt es überall. In Familienunternehmen treten sie wegen einer anderen Eigentumsbindung auf. Wer ein Unternehmen selbst aufgebaut hat, kann sich – wie Eltern oft – von den Kindern nicht ohne Weiteres trennen. Nachfolger, ob die eigenen Kinder oder externe Manager, ändern die Normen und Standards, auch die Strategien. So droht das eigene Kind fremd zu werden. Da greifen die Eltern ein. Es sind die emotionalen Bindungen, die die Nachfolge bei Familienunternehmen etwas brisanter machen. Es geht nicht nur um gute Verträge, auch nicht einmal nur um Vertrauen, sondern um so etwas wie »Körperverletzung«, wenn man dieses eigenartige Wort hier metapherngleich verwenden darf. Das eigene Unternehmen ist ein Teil desjenigen, dem es gehört. Es ist nicht nur ein Unternehmen, sondern inkorporiert: man hat es sich einverleibt. Oft, wie man sagt, mit Haut und Haar. Die vermeintliche Sache ist lebendig, und jede Übergabe dann ein Akt, der gleichkommt dem, als wenn man ein Stück herausschneiden würde. Deshalb ist es, wenn wir in dieser Sprache bleiben, folgerichtig, dass der, der übergeben muss, sich verletzt fühlt. Nachfolge in Familienunternehmen ist eine Läsion. Wahrscheinlich wäre es klug, nicht-verletztliche Transformationen einzuleiten. Doch ist diese strategische Sichtweise wegen der emotionalen Bindungen oft wenig gegeben. Die eigenen Kinder sollen übernehmen, nur weil sie das eigene Blut sind. Oft reicht das nicht hin. Hier werden Fehler gemacht wie bei der Distanz gegen die Fremdmanager, die sich nicht einklinken dürfen ins Netz der familialen Nähe. Sie gehen dann bald und beweisen also, dass es mit nicht-familialen Leuten nicht geht. Familienunternehmen sind eben keine Familienunternehmen, um es so paradox zu sagen: Wenn sie Familie und Unternehmen so inniglich vermischen, ziehen sie alle Konflikte, die in der Familie in jedem Generationenübergang entstehen (und immer schon entstanden), ins Unternehmen – ohne Not. Und umgekehrt sollte das Unternehmen seine Malaisen – gegebenenfalls – nicht in die Familien ziehen dürfen. Dass eine Familie sich ein Unternehmen hält, muss nicht bedeuten, dass sie das Unternehmen bestimmt noch dass das Unternehmen nach dem Muster der Familie geführt wird. Familienunternehmen familial zu definieren, ist ein Rest von Romantik, den wir, inmitten dynamischer Weltmärkte, nur zur Hälfte glauben dürften: Das Moment des Familialen ist wenig brauchbar, wenn es die unklaren, unbewussten und emotiven Beziehungsgeflechte von Familien ins Unternehmen kopiert. Die andere Hälfte hingegen: die Nachhaltigkeit und Beständigkeit, die Treue zu Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten, die besondere Qualität, Intensität und Umsicht, sind allerdings starke Momente. Sie sind immer strategisch orientiert, wie in der langen Voraussicht einer Familie, nicht ausschließlich kurzfristig optimiert. Wäre es aber nicht besser, beim Generationenwechsel, dass die Alten neue eigene Unternehmen gründen? Wenn die Energie da ist: in andere Felder investieren. En famille, aber auf anderem Terrain. Oder andere Aufgaben übernehmen: in Stiftungen?