"Bekenntnis zum Main" - Uwe Wittstock in der WELT zum Messestandort Frankfurt:
"Wir müssen in Frankfurt bleiben", meinte jetzt Jürgen Boos, der Chef der Frankfurter Buchmesse, mit Blick auf die Zukunft der weltgrößten Bücherschau. Das klang vor vier Jahren noch ganz anders. Boos' Vorgänger Volker Neumann hatte zum Schrecken der Stadt, des Landes Hessen und wohl auch eines großen Teils des Börsenvereins des deutschen Buchhandels kurzerhand einen Wechsel der Buchmesse von Frankfurt nach München ins Gespräch gebracht.... In zähen Verhandlungen konnte Neumann dann bei der Frankfurter Messe GmbH für seine Aussteller zumindest niedrigere Nebenkosten durchsetzen. ... Wenn Neumanns Nachfolger Jürgen Boos jetzt über eine Verlängerung seiner Verträge mit der Frankfurter Messe GmbH verhandelt, wird man ihm selbstverständlich keine Geschenke machen. Doch wo immer er in der Stadt Sorgen und Wünsche seines Unternehmens vorträgt, kann er sicher sein, auf sehr aufmerksam Zuhörer zu stoßen.
"Sagrada Família - Gaudí entschlüsselt" - für die "Frankfurter Rundschau" hat sich Daniel Bartetzko zwei Ausstellungen zum Messeschwerpunkt Katalonien angesehen:
Der diesjährige Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, die Region Katalonien, wird auch in den Museen der Stadt in diversen Ausstellungen präsent sein. Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) eröffnet den Reigen mit einer Doppelausstellung über neue katalanische Architektur und - beinahe unvermeidlich - die Sagrada Família von Antoni Gaudí. ... Die Ausstellung "Gaudí Unseen" dechiffriert die detailbesessene Arbeit des Architekten. Und steigert damit trotz der Aufdeckung mancher Geheimnisse die Faszination für das Monumentalwerk. Vorhandene originale Gipsmodelle und Bauteile aus seiner Werkstatt wurden einer dreidimensionalen Computeranalyse unterzogen, ihre Linien graphisch fortgeführt. Und was nun auf großformatigen, farbigen Abbildungen in Frankfurt zu sehen ist, erinnert nicht umsonst an die Entschlüsselung einer DNA-Struktur. Was die Medizinforschung revolutionierte, markiert auch beim Weiterbau der Sagrada Família einen erheblichen Fortschritt. Mit Hilfe der entschlüsselten Sagrada-Helix ist tatsächlich ein Klonen von Stilelementen und Bauteilen möglich.... "Patente Lösungen - Neue Architektur Made in Catalonia" widmet sich Architekturbüros im nordöstlichen Spanien, die noch nicht im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit stehen. Die Architektur wieder stärker als Ort des technologischen Fortschritts zu etablieren ist das Ziel der Kuratoren. Die gute Idee, das innovative Potential der Avantgarde, stehen im Mittelpunkt. Komplette Gebäude sieht man kaum: vom Jalousiesystem zur Textilfassade, von der treppenförmigen Gartenanlage zum Wohnhochhaus in Modulbauweise werden, in vier Themenbereiche unterteilt, dreißig herausragende Detaillösungen vorgestellt, die bei oft geringem Budget feine, bisweilen aufsehenerregende Architektur hervorgebracht haben.
"Charme der Ungleichzeitigkeit" - die "NZZ" berichtet über das Literaturfestival Sprachsalz:
Nach fünf Ausgaben steht das Literaturfestival «Sprachsalz» in der Tiroler Stadt Hall auf dem fixen Fahrplan des Literaturbetriebs. Trotz seinem zweifelhaft originellen Titel: «Sprachsalz» ist ein luxuriöses Festival der Weltliteratur geworden, das sich hier in den Tiroler Bergen nicht so abgebrüht kosmopolitisch geben muss wie sein Berliner Äquivalent und nicht so tadellos idyllisch wie Leukerbad. Es hat den schlagenden Charme der Ungleichzeitigkeit, wenn etwa Frank McCourt vor den schroffen Felswänden der Nordkette in der Sonne sitzt und von den Zeiten erzählt, als er noch Lehrer bei den Kindern Brooklyns war. Was Literatur ist und wie sie mit der Theodizee in ihrem Innersten verknüpft bleibt, macht Frank McCourt in seiner Autobiografie über den «Teacher Man» aufs Schönste klar. Dass die ewig nölenden Schüler mit ihrem stumpfen «Yeah, yeah» auf ihren Entschuldigungszetteln die absurdesten Geschichten erfanden, wenn sie der Schule ferngeblieben waren, macht Frank McCourt, der Lehrer, sich zunutze. Er lässt ihrer Phantasie freien Lauf, stellt immer neue Aufgaben. Adam und Eva müssen sich bei Gott entschuldigen, und Gott bei beiden.
Dass auf Frank McCourt die Lesung von Ruth Weiss folgt, ist da fast konsequent. Weiss, die jüdische Emigrantin aus Berlin, die 1933 als Kind mit ihrer Familie über Wien nach Amerika geflohen ist, hat ihre Literatur zum Vermächtnis zweier Kontinente gemacht. Was sie schreibt, ist abgeklärt autobiografisch und hat den amerikanischen Beat der sechziger Jahre. Allenfalls den Beat der Bundesbahn hat Eckhard Henscheids Beschreibung einer Reise nach Graz. Wie der Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer im Zug von Poschiavo gemächlich durch die Alpen fährt, wird in Hall zum Fortsetzungsroman, denn nach einer Stunde Lesezeit ist der Dichter erst am Brenner.