Martina Bergmann zur KNV-Insolvenz

Gegen Staatsbuchhandel

28. Februar 2019
von Börsenblatt
Martina Bergmann ist von dem "orkanartigen Getöse" rund um die Insolvenz von KNV inzwischen irritiert. Ihr Wunsch an alle: Gelassenheit und Liberalität.

Als der erste Buchhandlungspreisträger Insolvenz ­anmeldete, nahm ich meine Urkunde von der Wand. Ich hängte eine Kunstfotografie von Bärlauch auf; schwarz-weiß. Nach der fünften Schließung tauschte ich den Bärlauch gegen ein Bild von Ravensberger Fachwerkhäusern. Weitere Preisträger schlossen, verkauften oder wurden von Christian Riethmüller gerettet. Und hier kam neulich ein Mann vorbei, der hatte als Kind mal dort gewohnt (Fachwerk, nicht Tü­bingen). Er hob seinen Cordhut zum Gruß und sagte: Du bist eine von uns. Ich beschloss, mich nie wieder für den Buchhandlungspreis zu bewerben. Ich lebe von den Kunden, nicht von Kultur.

Dem Buchhandel auf dem Land geht es wirtschaftlich nicht schlecht. Denn hier sind die Mieten günstig und wir müssen nicht viel Personal beschäftigen. Ich habe 38,5 Öffnungsstunden in der Woche und zwei Aushilfen. Meine Geschäfts­probleme sind sozial: Ich finde niemand, der Montagmorgen arbeiten will, weil da alle kommen, die am Wochenende einsam waren. Ich muss inzwischen oft sagen, bitte sehen Sie sich mit der Ware vor. Bitte seien Sie weniger nervös. Bitte windeln Sie ihr Baby woanders, und, nein, ich bin nicht einverstanden, dass Ihre Mutter sich regelmäßig bei mir meldet, damit Sie in Hamburg oder Köln wissen, es geht ihr ganz gut. Das sind Phänomene der Vergreisung und Verödung von Provinz, und sie sind ungemein politisch. Man kann sie aber mit Geld nicht lösen.

Und hat das mit der Insolvenz meines Hauptlieferanten zu tun? Nein. Finde ich schlimm, dass KNV Insolvenz angemeldet hat? Nein. Ich finde es für die Kollegen bedauerlich und hoffe, sie kommen gut da durch. Ich bin gern Kundin bei KNV. Gäbe es die Firma nicht mehr, würde ich wohl Kundin bei Lingenbrink; die mag ich auch. Beide Unternehmen sind aber so groß, dass mir als winzig kleiner Wirtschaftseinheit jede Einsicht in die Abläufe fehlt. Deswegen kommentiere ich sie nicht. Ich kann nur aus der Erfahrung eines insolventen Schreib­warengroßhändlers berichten, dass es nach dem Eingreifen guter Verwalter anders wurde, aber nicht schlechter. Zum Beispiel funktionierte dann der Onlineshop.

Das orkanartige Getöse rund um die Insolvenz eines großen, ja, auch strukturell wichtigen Marktteilnehmers irritiert mich inzwischen. Besonders das Geschrei nach Geld vom Staat. Es ist absurd. Ich wäre, wenn überhaupt, für mehr Verlagsförderung. Manche Bücher sind unkalkulierbar, und doch sollte es sie geben. Das ist Kultur, und sie bedarf nach meinem Staatsverständnis der Subvention. Aber doch nicht der Einzelhandel – zumal wir Buchhändler durch die Preisbindung und den ermäßigten Mehrwertsteuersatz ganz gut geschützt sind. Die Bücher sind bei mir nicht teurer als bei Amazon. Das muss genügen.

Mein Wunsch an den Insolvenzverwalter: Machen Sie das gründlich. Wir Buchhändler arbeiten gern mit KNV, und es würde uns wohl nicht überall leichtfallen, neue Geschäftsbeziehungen zu knüpfen. Banken sind zu Einzelhändlern nicht nett, aber KNV war das immer. Mein Wunsch an die ­Politik: Geben Sie Verlagen Geld. Denen tut das gerade weh. Und mein Wunsch an uns alle: Gelassenheit und Libera­lität. Niemand möchte einen Staatsbuchhandel. Denn dann könnte man uns zwingen, die Sozialarbeit zu tun, die wir, im Winter, auf dem Land, abwehren müssen, weil sie nicht Aufgabe des Einzelhandels, sondern der Zivilgesellschaft ist.