Interview mit Sebastian Meschenmoser

"Wie sah Michael Endes Phantásien aus?"

30. Juli 2019
von Börsenblatt
13 Monate lang hat Sebastian Meschenmoser Michael Endes "Unendliche Geschichte" für Thienemann neu illustriert – mit 138 Zeichnungen und 50 bis zu 1,30 Meter großen Ölbildern. Was diese aufwendige Technik mit Michael Ende, seinem Vater Edgar und dem Nemi-See vor Rom zu tun hat, erfahren Sie im Gespräch mit dem Berliner Künstler.

50 großformatige Ölbilder als Illustrationen für ein Jugendbuch – das ist selten. Warum haben Sie die aufwendige Technik für die "Unendliche Geschichte" gewählt?
Ich habe an der Mainzer Kunstakademie studiert und arbeite als freier Künstler sowieso mit Ölfarben, die sind mir vertraut. Aber ein Grund war, weil Michael Endes Vater Edgar, ein surrealer Maler, auch in Öl gemalt hat. Sicher, die Technik ist sehr zeitaufwendig, aber letztlich habe ich das Buchprojekt mehr aus Leidenschaft gemacht: Damit verdient man nicht das große Geld.

Gleichzeitig standen Sie ja unter einem Abgabedruck: Zu lange durften Sie also auch nicht an einem Gemälde arbeiten?
Im Prinzip hatte ich für ein Ölbild eine Woche Zeit. Ich habe das schon sehr diszipliniert durchgepeitscht, aber jetzt bin ich auch erst mal ziemlich geschafft. Geklappt hat das nur, weil ich eine gute Vorrecherche gemacht habe.

Wie sah die Recherche aus?
Ich wollte wissen, in welcher Bilderwelt Michael Ende groß geworden ist, und das waren die Bilder seines Vaters. In Michael Endes Werken gibt es unglaublich viele Anspielungen auf Werke seines Vaters und Werke aus der Kunstgeschichte. Dann bin ich zu Endes Erben nach Rom gefahren, die mir gezeigt haben, dass Ende Ariosts "Orlando Furioso" mit 900 Holzschnitten von Gustave Doré besessen hat. Ich habe mir antiquarisch eine Ausgabe von 1890 besorgt und gestaunt: Da gibt es bereits einen Kopffüßler und andere Gestalten, die in Endes Geschichten vorkommen. Das war die eine Antwort auf meine Frage: Wie sah Endes Phantásien aus?

Und die andere Antwort?
Es gibt einige Orte in der Wirklichkeit unweit von Michael Endes Villa in Genzano bei Rom, die ihn inspiriert haben, wie die etruskische Totenstadt bei Ceveteri und der barocke Monsterpark in Bomarzo mit riesigen grotesken Steinfiguren. Der Dreiviertel-Troll, die Schildkröte, ein Einhorn, zwei sich anschauende Sphinxen – die finden sich dort und waren dann gerade eine Steilvorlage bei der Suche nach meinen Motiven fürs Buch. Ebenso der Nemi-See in einem erloschenen Vulkankrater mit den 1929 wiederentdeckten Haus auf zwei Schiffen von Kaiser Cailigula; den Ende als Spiegelsee gezeichnet hat. Von meinem Hotelfenster in Nemi konnte ich nicht nur den Spiegelsee sehen, sondern auch die Uralte Morla, ein schildkrötenartig geformter kleiner Berg vor Endes Villa.

Damit haben Sie eine ganz andere Bilderwelt geschaffen als die in Bernd Eichingers Verfilmung.
Unbedingt! Ich wollte so nah wie möglich an Michael Endes Vorstellungen sein.

Damit es sich am Ende doch für Sie rechnet: Verkaufen Sie die Ölgemälde?
Mal sehen, warum nicht. Momentan muss sich die Arbeit mit der „Unendlichen Geschichte“ erst mal setzen – wenn man so lange dran war, gibt man auch die Bilder nicht gleich wieder her. Zunächst werden sie ab 7. September im Lesart Institut in Berlin gezeigt und wandern danach über Dresden ins Bilderbuchmuseum Troisdorf. Danach kommen sie wieder zu mir.

Ist jetzt erst einmal Ausspannen angesagt?
Von wegen! Ich arbeite an einer Ausstellung, die zur Buchmessenzeit am 17. Oktober in der Frankfurter Galerie Greulich eröffnet wird, ganz freie Arbeiten. Da gibt es schon noch einiges zu tun.