Novitäten zu umweltbewusstem, nachhaltigem Leben

Aufruf zum Verzicht

2. Oktober 2019
von Sabine Cronau
Wie kann jeder Einzelne zum Klimaretter im Kleinen werden? Neue Ratgeber sparen nicht mit Tipps – und lassen die Leser von einem Leben träumen, das die Umwelt schützt und glücklich macht.

Jeder Mensch trifft täglich Entscheidungen. Und viele davon wirken sich direkt auf seinen ökologischen Fußabdruck aus. Das beginnt schon mit der Wahl des Haustiers: Während eine Dogge mit 2,5 Tonnen C02-Emmissionen zu Buche schlägt, landet ein Meerschweinchen, das sich nur durch Heuhaufen futtert, bei einer glatten null. Diese Rechnung hat dem Buch von Christof Drexel den Titel gegeben: "Warum Meerschweinchen das Klima retten" (GU, 208 S., 16,99 Euro).

Der Ratgeber begnügt sich nicht mit wohlfeilen Ratschlägen, sondern rechnet ganz genau vor, welche Klimaspuren jeder einzelne Mensch in der westlichen Welt hinterlässt. 14 Tage Cluburlaub in Thailand? Macht 5,3 Tonnen CO2-Emmissionen. 14 Tage Kreuzfahrt durch die Karibik? Schießt den Vogel ab mit 5,7 Tonnen. Ernährung, Mobilität, Urlaub, Bauen, Wohnen: Drexel knöpft sich alle Lebensbereiche vor und schlüsselt die Zahlen so in Tabellen, Grafiken und nach Verbrauchertypen auf, dass jeder sein eigenes Verhalten daran messen kann. Sein Credo: Jeder hat die Wahl – und muss nur den klimafreundlichen Abzweig nehmen. "Prägen Sie die neue Normalität", ruft Drexel seinen Lesern zu. Soll ­heißen: Wanderurlaub statt Kreuzfahrt, Nager statt Dogge, Vorbild sein und ein paar Konsumgänge zurückschalten.

"Leitungswasser zum Standardgetränk machen"

 Christof Drexel, "Warum Meerschweinchen das Klima retten"

"Was können Sie tun? Verzichten!" Das ist auch die klare Botschaft von Albert Bates, der sich selbst als PNT – als Planeten-Notfall-Techniker – bezeichnet. Verzicht heißt bei ihm: Plastik aus dem Leben verbannen. Sein Buch "Die Plastik-Wende" (Windpferd, 120 S., 14,95 Euro) ist ganz und gar diesem einen Material gewidmet, zu dem die Menschheit ein ziemlich schizophrenes Verhältnis hat: "Ist es nicht höchste Zeit für die Frage, warum wir ein Material entwickeln, das ewig hält, und es dann für Gegenstände verwenden, die nur zum einmaligen Gebrauch gemacht sind?" Bates, Jurist und Ökologe, versteht sein Buch als Kampfansage an den Plastikmüll, liefert dazu eine ausführliche Materialkunde. Für alle, die ganz genau wissen wollen, was den Weltmeeren auf lange Sicht den Garaus macht.

Welthunger, Bodenerosion, Artensterben, Luftverschmutzung: Christoph Schulz lässt in seinem Buch "Nachhaltig leben für Einsteiger" (mvg, Dezember, 224 S., 14,99 Euro) keine Umweltsünde aus. Nach einer ausführlichen Schreckensanalyse macht er im Detail deutlich, wie sich der westliche Lebensstil verändern muss. Eine Empfehlung sind selbstkritische Fragen, etwa vor dem Drogerieregal: Brauche ich dieses Duschgel wirklich? Falls ja: Handelt es sich um ein nachhaltiges Duschgel? Falls nein: Was ist die nachhaltigere Alternative? Blogger Schulz, der die grüne Community CareElite gegründet hat, bleibt so gut wie keine Antwort schuldig, ein paar DIY-Ideen gibt’s noch obendrauf. Alles in allem aber eher ein Lese- als ein Arbeitsbuch.

"Grüne Suchmaschinen wie ecosia.org nutzen"

Christoph Schulz, "Nachhaltig leben für Einsteiger"

15.000 Liter Wasser, um ein einziges T-Shirt zu produzieren? Auch für Andrea Sokol hilft bei solch schwindelerregenden Zahlen nur eines: Konsumverzicht – und Ressourcenschonung durch Selbermachen. Essen, Schönheit, Gesundheit, Haushalt: Dafür stellt sie in ihrem Buch "Kann ich selbst, mach ich selbst" eine Fülle von Projekten vor (Knaur Balance, 176 S., 18 Euro). Ihr nachhaltiges Know-how, etwa für Shampoo aus Wasser und Reis, teilt die Fernsehmoderatorin und Bloggerin auch auf YouTube, in ihrem Kanal "Ohlala & Solala". Das Buch dazu bietet viel Wissenswertes für alle, die der Umwelt zuliebe wirklich verzichten wollen. Denn duftende ­Cremetiegel durch selbst gemachtes Leinsamengel zu ersetzen – das muss man schon wollen. Dafür ist das Ergebnis garantiert mikroplastikfrei.

"Es ist keine Schande, Brot von gestern zu kaufen."

Andrea Sokol, "Kann ich selbst, mach ich selbst"

Blogger-Bücher, die Umweltbewusstsein mit einer Prise Lifestyle verbinden, erscheinen in diesem Herbst gleich mehrfach: Neben den Büchern von Christoph Schulz und Andrea Sokol gehört dazu auch der Titel "Einfach nachhaltig leben" (Edition Michael Fischer, 144 S., 18 Euro). Julia Zohren, auf ihrem Blog "subvoyage" und auf Instagram aktiv, hat grüne DIY-Tipps vom Bienenwachstuch bis zum Baby-Greifling im Gepäck. Originell: die Mini-Challenge "Weniger-Plastik-Woche". Neben Mode, Kosmetik, Büroausstattung und Familienleben gibt es auch ein Kapitel über Geld und grüne Bankhäuser.

"Viele kleine Leute in vielen kleinen Orten, die viele kleine ­Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern": Dieses ­schöne afrikanische Sprichwort zitiert Viktoria Heyn in ihrem Buch "Besser naturbewusst leben" (Christian Verlag, 160 S., 19,99 Euro). Die gelernte Erzieherin und angehende Sozialarbeiterin bloggt als "Naturlandkind" auf Instagram mit 70.000 Followern – und unternimmt nun in Printform einen komprimierten Streifzug durch das nachhaltige Leben. Sie bietet viel Hintergrundwissen zur Klimakrise, aber auch konkrete Anleitungen für selbst Gemachtes, vom Spülmaschinenreiniger mit Waschsoda bis zum Baby-Feuchttuch mit Hamamelis-Wasser. Hinweise auf nützliche Apps und zur verwirrenden Vielfalt der Öko-Siegel runden den Ratgeber ab, der auf 100 Prozent Altpapier gedruckt wurde, zertifiziert mit dem Blauen Engel.

"Stofftaschentücher statt Papier verwenden"

Viktoria Heyn, "Besser naturbewusst leben"

Ein etwas heikles Umweltthema ist Weihnachten. Denn rund ums Fest produzieren die Deutschen 20 Prozent mehr Müll. Deshalb gilt für Alexandra Achenbach, Bloggerin (livelifegreen) und promovierte Biologin: "Weniger ist mehr." Die Ideen in ihrem Buch "Zero Waste Weihnachten" (Frech, 144 S., 16,99 Euro) sind schlicht und charmant: So legt sie für einen Tischadventskalender die Kurvenstücke einer Holzeisenbahn zu einem großen Kreis, bohrt 24 Löcher in die Schienen (danach noch befahrbar) und steckt senkrecht kleine Papierröllchen mit Gedichten hinein. Sieht hübsch aus und hinterlässt höchstens ein Häuflein Papiermüll. Für Leser mit Geschick und ökologischem Anspruch.

Dass sich auch Bücher über ein ernstes Thema wie Klimawandel kunterbunt und spielerisch gestalten lassen, beweist die Stuttgarter Illustratorin Franziska Viviane Zobel mit "Stell dir vor, die Zukunft wird wundervoll und du bist schuld daran" (Komplett-Media, 152 S., 16 Euro). Die leichten Zeichnungen nehmen der drohenden Katastrophe die Schwere und führen einmal durch den Tagesablauf, vom Kaffee (das Mindeste: kompostierbare Kapseln nehmen!) bis zum veganen Abendessen. Weniger Input für Selbermacher, dafür viele Denkanstöße für Augenmenschen.

Vor allem eine Ideensammlung ist auch das Buch "So retten wir unsere Welt" der Amerikanerin Michelle Neff, die für die Plattform www.onegreenplanet.org schreibt (Anaconda, 192 S., 7,95 Euro). Zwei ihrer 444 Tipps: "Geh wählen" und "Sag Nein zu Seide". Denn der weiche Stoff gilt zwar als ökologisch, doch Seidenraupen werden dafür lebend in kochendes Wasser geworfen.

"Lass den Garten ein bisschen verwildern."

Michelle Neff, "So retten wir unsere Welt"

Der Geist ist willig – aber mit dem Verzichten will es einfach nicht klappen? Franz Grieser legt mit "Meine ­Reise nach Utopia" (Oekom, 224 S., 24 Euro) ein Journal für nachhaltiges Leben vor, mit dem das Großprojekt Umweltschutz in viele kleine Einzelteile zerlegt wird: minimalistisch leben, achtsam sein, vegan kochen – das alles und noch viel mehr wird ­wochenweise in kleine Projektpläne und Checklisten gegossen. Herausgeber ist die Onlineplattform utopia.de, die Verbrauchertipps rund um nachhaltige Produkte gibt.

"Keine Putztücher aus Mikrofaser nehmen"

Franz Grieser, "Meine Reise nach Utopia"

Anwärter für das beste Wortspiel ist Kosmos mit "Nur die Harten bleiben im Garten" (128 S., 16,99 Euro). Der Ratgeber dreht sich um Pflanzen, die dem Klimawandel trotzen, stellt Mus­terbeete für extreme Wetterlagen vor. Ein Kapitel heißt "Verbrannten Rasen erneuern", ein anderes "Schutzmäntel gegen ­Hagel & Co.". Autor Thomas Heß fasst zusammen, was Gärtner schon länger merken, die Politik aber noch nicht so richtig erfasst hat: "Neues Klima erfordert neue Strategien."