Interview mit Tonio Schachinger

"Fußballerisch bin ich das Gegenteil meines Protagonisten"

7. Oktober 2019
von Börsenblatt
Mit seinem Fußballroman "Nicht wie ihr" (Kremayr & Scheriau) steht Tonio Schachinger auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2019. Im Gespräch mit der LitCam-Direktorin nennt er Inspirationsquellen für sein Buch, seine Lieblingsfußballer − und macht sich Gedanken über Literaturverfilmungen.

Ein Buch über einen Fußballprofi − warum gerade das?
Die Inspiration zu dem Buch kam vor allem dadurch, dass mit den aufkommenden Medienschulungen für Fußballer und der Professionalisierung des Kommunikationsmanagements durch die Vereine, eine sprachliche Leerstelle entstanden ist, bei der man in Interviews mit Spielern eigentlich nichts mehr erfährt, was über Floskeln hinausgeht. Gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass diese Spieler durchaus Gedanken haben, die über ein Von-Spiel-zu-Spiel-Schauen und ein Ich-versuche-einfach-dem-Team-zu-Helfen hinausgehen. Diese Diskrepanz hat mich sehr gereizt.

Haben Sie selbst Fußball gespielt? Wenn ja, wo und in welcher Position?
Meine Kindheit und Jugend über habe ich fast jeden Tag Fußball gespielt, gehörte aber nie zu den allerbesten. Fußballerisch war und bin ich also eigentlich das Gegenteil meines Protagonisten Ivo: technisch schwach, langsam im Antritt und mit keinem besonders guten Schuss, aber mit hoher Laufleistung, soliden Tacklings und einer guten Mentalität. Meistens spiele ich deshalb in der Verteidigung und im defensiven Mittelfeld.

Sie punkten ja auch mit Insiderwissen zur englischen Premier League? Woher kommt dieses?
Man kann durch verschiedene Arten der Recherche, durch das Lesen von Artikeln, Foren und Biografien, das Anschauen von Interviews, Trainingsvideos und Pressekonferenzen, durch Gespräche mit Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, sowie durch das Verfolgen der Selbstinszenierung der Spieler in den sozialen Netzwerken, sehr viel Wissen und Inspiration sammeln, die für andere vielleicht wie Insiderwissen wirken, die aber im Grunde frei zugänglich sind. Sobald man diese Informationen literarisch verarbeitet und fiktionalisiert, entsteht automatisch eine neue Realitätsebene, deren vermeintliche Insiderinfos eine Melange aus Fiktion und Inspiration sind und keinen Anspruch auf Authentizität erheben.

Hatten Sie bestimmte Kicker als Vorbild für ihre Hauptfigur, den 27-jährigen Wiener Fußballprofi Ivo Trifunović?
Mein Protagonist Ivo vereint in sich bewusst Aspekte verschiedener Spieler mit vergleichbaren Lebenswegen. Für Fußballkenner ist es möglich, gewisse Anekdoten, wie den Konflikt mit dem Vater wegen eines Dresses, das mit dem Vor- statt mit dem Nachnamen beflockt war (Ibrahimović), die Geschichte vom Kennenlernen der Frau in Basel (Rakitić) oder den Klaps auf den Hinterkopf eines Schweizer Politikers (Dragović) zu realen Ereignissen und Spielern zurückzuverfolgen. Gerade aufgrund der vielfältigen Inspirationsquellen, kann man aber nicht von einem bestimmten Vorbild sprechen.

Können Sie sich eine Verfilmung des Buches vorstellen?
Soweit ich weiß, gibt es schon zwei lose Anfragen für die Filmrechte von Nicht wie ihr und ich möchte die Chancen meines Verlags, diese Rechte zu verkaufen, nicht schmälern. Einen guten Film zu machen ist meiner Meinung nach aber wesentlich schwerer als ein gutes Buch zu schreiben, deshalb halte ich Kino, egal ob es als Serie oder als Film angelegt ist, für die größte Kunstform unserer Zeit und bewundere Regisseure wie Louis Malle, Alfonso Cuarón und Luís Buñuel und Serien wie Better Call Saul oder die Sopranos ungemein. Deutschen und österreichischen Produktionen kann ich hingegen nur in Ausnahmefällen etwas positives abgewinnen und ich bezweifle, dass ein so schwieriges Unterfangen wie eine gelungene Romanadaption, bei der die Sprache eines inneren Monologs auf kreative Art (und nicht zum Beispiel als Voice-Over) in eine filmische Sprache übersetzt wird, im deutschen Sprachraum möglich ist und zu einem Ergebnis führen kann, das ich mir selbst anschauen würde.

Ihre Lieblingsmannschaft und Ihr Lieblingsspieler?
Als Kind war ich Fan der SV Ried, weil die Familie meines Vaters aus Ried im Innkreis stammt und ich mit meinem Opa die dortigen Heimspiele besuchte. Inzwischen verfolge ich vor allem die Spiele des Österreichischen Nationalteams und an den Wochenenden die Spiele der österreichischen Legionäre, die in den europäischen Topligen, vor allem auch in der Deutschen Bundesliga, spielen.

Mein Lieblingsspieler als Kind war Zinedine Zidane, dessen Spielweise mir sehr imponierte und dessen Abgang für mich zu den epischsten Momenten der Geschichte des Fußballs zählt. Im Österreichischen Nationalteam sind meine Lieblingsspieler David Alaba und Marko Arnautović, ich schätze aber auch Martin Hinteregger, Aleksandar Dragović, Florian Grillitsch und Xaver Schlager sehr.

Veranstaltungstipp

Wer mehr über Antonio Schachinger und sein Buch erfahren möchte, kann ihn live im Talk mit dem FAZ-Sportredakteur Micheal Horeni am Buchmesse-Sonntag erleben.

  • Sonntag, 12:00 Uhr, LitCam Kulturstadion, Halle 3.1 B 33

Nicht wie ihr – Fußballfiktion und Realität in Tonio Schachingers Roman

Ivo wusste immer schon, dass er besonders ist. Besonders cool, besonders talentiert, besonders attraktiv. Jetzt ist er einer der bestbezahlten Fußballer der Welt. Er verdient 100.000 Euro in der Woche. Mit seinem Romandebüt (Kremayr & Scheriau) über den Fußballprofi Ivo gelang Tonio Schachinger der Sprung auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Im Gespräch mit Sportjournalist und -autor Michael Horeni (FAZ) spricht Schachinger über die Entstehung des Romans, seine Erfahrungen nach der Nominierung, und darüber, wie viel (Fußball-)Realität in Ivos Geschichte eingeflossen ist.

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