Lieblingsbuchhandlung: Jaroslav Rudiš über die Buchkrone am Markt in Zittau

Wie in Italien

20. November 2019
von Börsenblatt
In Bärbel Thomas' Buchkrone am Markt in Zittau fühlt sich der tschechische Autor Jaroslav Rudiš verstanden.

Wenn man in Zittau auf dem Marktplatz steht und sich umschaut, bekommt man schnell den Eindruck, man sei in Italien. Oder in Böhmen, wohin es von hier aus nur ein paar Schritte sind. Über Zittau fahre ich immer mit dem Zug aus Berlin, wo ich lebe, nach Lomnice nad Popelkou, wo ich aufgewachsen bin. Zittau ist eine wahre historische Schönheit im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck. Im Herzen der Stadt findet man nicht nur das imposante Rathaus, sondern auch die traumhafte Buchhandlung Buchkrone am Markt. Die Besitzerin Bärbel Thomas und ich kennen uns schon seit einer Weile. Zum ersten Mal begegneten wir uns im tiefsten Winter 2004 oder 2005, so ganz genau kann ich es gar nicht mehr sagen. Mein erstes Buch, "Der Himmel unter Berlin", erschien damals gerade auf Deutsch. An jenem Freitag waren es gefühlt minus 22 Grad. Und nur wenige Gäste verirrten sich in das erste Stockwerk des Hauses, wo die Lesung stattfand. Seither sehen wir uns ­regelmäßig.

In Zittau muss ich nie erklären, wo das Böhmische Paradies liegt, wie die Gegend heißt, aus der ich komme. Und jeder kann hier vor Ort aus seinem Fenster das spektakuläre Berg­hotel auf der Bergspitze von Ještěd bei Liberec erspähen, wo mein Roman "Grandhotel" spielt. Wenn man mit Bärbel Thomas redet, weiß man schnell, dass sie Böhmen besser als viele meiner Landsleute kennt. Die engagierte Buchhändlerin pflegt Kontakte zu tschechischen Verlagen und bestellt einschlägige Bildbände direkt bei ihnen. In den Bücherregalen und auch im Schaufenster findet sich obendrein immer eine gute Auswahl der tschechischen, aber auch der polnischen Literatur.

Bärbel Thomas weiß, dass die Leser im Ort zwar die regionale Literatur lieben, doch sie verreisen in der Welt der Bücher auch gern nach Böhmen oder Niederschlesien. Hier in Zittau existieren keine Grenzen, und nach Prag ist es von Zittau genauso weit wie nach Dresden. Dazu kommen noch die vielen Touristen, die bei ihr literarischen Reiseproviant kaufen. Aber auch viele Tschechen und Polen interessieren sich in der Buchkrone für die letzten deutschsprachigen Neuerscheinungen. Einige leben auch in der Stadt, und so hört man auf dem Gehsteig vor dem Buchladen oft alle drei Sprachen.

Die Buchkrone befindet sich direkt im imposanten Stadt­palais mit der schlichten Rokokofassade aus dem Jahr 1776. Ganze Romangeschichten weiß das Palais zu erzählen. Napoleon übernachtete einst hier, so auch der österreichische Kaiser Rudolf II. und August der Starke. Die Zittauer nennen das Haus Fürstenherberge, daher rührt auch der Name der Buchhandlung: Buchkrone am Markt. Einen Buchladen gibt es hier auch schon sehr lange, seit 1846. Heute ist die Buchkrone, dieser geschichtsträchtige, stille und doch so lebendige Ort ein wichtiger kultureller Treffpunkt der Stadt.

Jaroslav Rudiš wurde 1972 im tschechischen Turnov geboren und lebt in Berlin. Sein im Frühjahr erschienener Roman "Winterbergs letzte Reise" (Luchterhand) war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.