Neujahrsempfang der Kurt Wolff Stiftung

Mehr Kohle im Jubiläumsjahr

16. Januar 2020
von Börsenblatt
Die Kurt Wolff Stiftung feiert ihren 20. Geburtstag mit einem Empfang in Berlin. Nachdem Gratulantin Monika Grütters schon beim Deutschen Verlagspreis eine halbe Million draufgepackt hat, will sie auch die Summe des Kurt-Wolff-Preises kräftig aufstocken.

Conrad Clemens, der neue Bevollmächtige des Freistaats Sachsen beim Bund und Hausherr in der noblen Vertretung in der Mitte Berlins, war noch kaum drei Stunden im Amt, als er als Hausherr einen rappelvollen Saal begrüßen konnte: Zum Aufgalopp der Kurt Wolff Stiftung ins Jubiläumsjahr waren mehr als 300 Verlegerinnen und Verleger aus tatsächlich allen Ecken des Landes, Buchhändlerinnen und Buchhändler sowie Vertreter aus Politik und Medien ins „Sächsische Haus“ gekommen. In Quasi-Vorwegnahme der sich im Laufe des Abends ausbreitenden Potlatch-Stimmung kündigte Clemens an, dass der vor zwei Jahren gestartete Sächsische Verlagspreis nicht nur weitergeführt, sondern wohl auch aufgestockt werde.

Christoph Haacker und Nora Pester, den Verlegern von Arco (Wuppertal) und Hentrich & Hentrich (Leipzig) dürften an diesem Mittwochabend die Ohren besonders geklungen haben: Zur Leipziger Buchmesse im März werden sie für den Kurt-Wolff-Preis bzw. den Förderpreis statt 26.000 und 5.000 Euro satte 35.000 respektive 15.000 Euro erhalten. Dass der Bund die Förderung für die Kurt Wolff Stiftung in deren 20. Jahr von bislang 85.000 auf nunmehr 105.000 Euro aufstockt, war das ziemlich begeistert beklatschte „Geburtstagsgeschenk“, das Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum Neujahrsempfang der Stiftung in der Berliner Vertretung des Freistaats Sachsen auspackte.

Dass Grütters, wie vor wenigen Tagen publik wurde, auch den Deutschen Verlagspreis mit einer halben Million Euro mehr in die zweite Runde schickt und die Landschaft der unabhängigen Verlage mit einer „umfassenden Marktstudie“ vermessen lassen will, ist indes keiner Sektlaune geschuldet. VG-Wort-Urteil und Urheberrechtsgesetzgebung, KNV-Insolvenz und Auslistungen bei Libri – für Indie-Verlage, daran ließ Grütters keinen Zweifel, ist die Marktlage alles andere als rosig. Weshalb die Ministerin möglichst planvoll und strukturiert statt mit der Gießkanne helfen will. Ohne Grütters und ihr segensreich wirkendes „Referat K 32“ in Bonn, im Atlantis der alten Bundesrepublik, ist, soweit darf man gehen, die Arbeit der Stiftung inzwischen kaum mehr denkbar.  

Als Vorstand und Kuratorium der neu formierten Kurt Wolff Stiftung im Januar 2001 im Bundeskanzleramt, damals noch im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude am Berliner Schlossplatz, erstmals zusammenkamen (ab 2012 tagt man im Berliner Büro des Börsenvereins), wehten die Winde des Wettbewerbs zwar auch schon rau, aber Marktkonzentration und Digitalisierung sollten erst in der Folgezeit richtig Fahrt aufnehmen. Die Tour d’Horizon durch 20 Jahre, die Joachim Kersten, Vorsitzender des Kuratoriums der Kurt Wolff Stiftung, mit der Rechtsanwälten eigenen Akribie unternahm, geriet einigermaßen episch; der Reigen der Preisträgerinnen und Preisträger samt Preisbegründungen, Geschäftsstellen-Interna, Sitzungsprotokolle – vielleicht die Idee für einen schön gestalteten Jubiläumsband?

Blick zurück nach vorn: Britta Jürgs, der aktuellen Vorstandsvorsitzenden, gehörte anschließend die Zukunft. Schöne Idee, ihren kurz-knackigen Vortrag von einem Foto-Stream begleiten zu lassen, in dem – neben vielen sympathischen Köpfen – immer wieder der Messestand „Die Unabhängigen“ und die Drucksachen der Stiftung zu sehen waren, beides kongenial entworfen vom Leipziger Designer Jakob Kirch. „Hier entspricht die Vielfalt der Farben und Formen ziemlich ideal der Vielfalt der unabhängigen Verlage.“

„Nackte Angst zieh dich an, wir gehen aus“ heißt einer der Songs von Jens Friebe, der „zwischen Antörnen und Einschläfern“ den Showteil des Abends bestritt: „Jede Minute, die ich länger spiele, könnt ihr keinen Wein trinken.“ Müßig zu erwähnen, dass „Nackte Angst“ keine Zustandsbeschreibung der Indie-Verlagsszene 2020 sein sollte. Der Diskurspopper Friebe, auf besonderen Wunsch von KWS-Vorstand Jörg Sundermeier gebucht, brachte einen Hauch „Festsaal Kreuzberg“ ins „Sächsische Haus“ und zeigte nebenbei, dass das Haus der unabhängigen Verlage viele, manchmal auch sehr eigenartig tapezierte Wohnungen hat. Und das ist, um einen anderen Berliner zu zitieren, gut so.