"Auf Glück war sie nicht aus"
Patricia Highsmiths Tagebücher erscheinen 2021 bei Diogenes. Lektorin Anna von Planta über die Begegnung mit der großen Autorin.
Patricia Highsmiths Tagebücher erscheinen 2021 bei Diogenes. Lektorin Anna von Planta über die Begegnung mit der großen Autorin.
Wie trat Patricia Highsmith in Ihr Leben?
Kaum hatte ich 1985 bei Diogenes als sehr junge Lektorin begonnen, da vertraute mir der damalige Verleger Daniel Keel ein Originalmanuskript der Autorin mit den Worten an: "Morgen treffen Sie Patricia Highsmith." Ich hatte also genau eine Nacht, um den englischen Text zu lesen. Es war der Roman "Elsies Lebenslust", der in Greenwich Village spielt, wo ich kurz zuvor ein Jahr gelebt hatte.
Und was für eine Frau saß am nächsten Morgen vor Ihnen?
Ich kannte die große Autorin der "unbestimmten Beklemmung", wie Graham Greene sie nannte, aus ihren Romanen, und ich dachte beklommen, wie ist wohl eine Frau, die solche unheimlichen Bücher schreibt. Dann traf ich sie am nächsten Morgen in ihrem Hotel hier in Zürich und streckte ihr meine Hand entgegen. Davon nahm sie keine Notiz, bestellte sich ein Bier und schwieg zunächst – was mich natürlich einschüchterte. Über das Manuskript und sein Setting kamen wir dann doch ins Gespräch, weil Highsmith selbst als junge Frau in Greenwich Village gelebt hatte. Ihr "Village" war aber das der 40er, 50er Jahre.
Wie ging es dann weiter?
Nach der Rückkehr in den Verlag war ich mir nicht sicher, ob ich aufgrund des anfänglichen Schweigens die geeignete Lektorin war – bis mich Daniel Keel fragte, wie das Treffen verlaufen sei. "Was, so viel habt ihr miteinander gesprochen?" Keel war sehr beeindruckt, denn die ersten Jahre hatte sie bei ihm fast nur geschwiegen. Er war ja mit Highsmith befreundet und hatte sie zu Diogenes geholt, nachdem er im Kino die Hitchcock-Verfilmung ihres Romans "Zwei Fremde im Zug" gesehen hatte.
Sind Sie sich über die Jahre nähergekommen?
Highsmith hatte uns die Weltrechte ihres Werks anvertraut, sodass ich auch fürs englische Original zuständig war, nicht nur für die deutsche Übersetzung – acht gemeinsame Buchprojekte in zehn Jahren. Gegen Ende ihres Lebens – sie war schwer erkrankt – hat sich unsere Zusammenarbeit noch vertieft. Wir haben uns gemeinsam angeschaut, was ihr noch wichtig war, was noch erscheinen sollte, und haben uns kurz vor ihrem Tod noch über die gesicherten Lebensdaten verständigt. Sie war sehr diskret, was ihr Privatleben und ihre sexuelle Orientierung betraf. Ihr zum Teil autobiografisch inspirierter Liebesroman "Salz und sein Preis", der die Liebe zweier Frauen schildert, war 1952 in den USA zunächst unter Pseudonym erschienen. Unser Austausch ging immer häufiger über die Manuskripte hinaus, wir haben telefoniert, sie hat gefaxt und ich habe sie mehrmals in ihrem Haus im Tessin besucht. Zuletzt legte sie eine viel sanftere Art an den Tag, als ich dies jemals erwartet hätte.
Gab es Momente des Glücks in Patricia Highsmiths Leben?
Sie war nicht auf Glück aus. Aber der letzte Satz ihres letzten Romans "Small g" gibt vielleicht einen Hinweis. Er lautet: "Seltsam war nur: Auf eine stille Art war Rickie dennoch glücklich."