Erlanger Kolloquium

Wissenschaftlicher Diskurs und praktische Initiativen

24. Juli 2015
von Nicola Bardola
Heute um 13 Uhr eröffneten Ursula Rautenberg und Volker Titel im überfüllten Senatssaal der Universität Erlangen-Nürnberg die Tagung "Leseförderung im Kindergarten und Grundschulalter - Wissenschaftlicher Diskurs und praktische Initiativen“.
Ursula Rautenberg, Leiterin des Faches Buchwissenschaften seit 1997, betonte die Bedeutung der Leseförderung für Ihre Arbeit. Nicht das Lesen allgemein, sondern das Lesen im Buch stehe im Mittelpunkt dieses Kolloquiums. Volker Titel, seit 2006 wissenschaftlicher Leiter des Projektes "Abenteuer Buch“ (www.abenteuerbuch.com), berichtete von der eineinhalbjährigen Vorbereitungszeit für diese Tagung, deren Ziel die Verbindung der theoretischen Reflektion über Leseförderung mit praktischen Erfahrungen ist. Wo muss Leseförderung ansetzen und wie funktionieren, um erfolgreich zu sein? In welchem Verhältnis stehen die Förderung der Lesefähigkeit und die Förderung der Lesemotivation? Ohne Lust keine Kompetenz? Oder umgekehrt? Zudem verwies Titel auf die sich wandelnde Medienkultur, auf Medienkonvergenz und Medienkonkurrenz. Danach setzte sich Leopold Klepacki (Universität Erlangen) mit Bücherkonsum im Gegensatz zu literarischer Bildung am Beispiel der fehlgeschlagenen Lesesozialisation des Anton Reiser auseinander. Wer bestimmt, was gelesen werden soll? Wie verändern sich Kinder- und Jugendliteratur-Kanones? Sabine Martschinke und Meike-Kiefer (beide Universität Erlangen) konzentrierten sich in ihrem Vortrag auf die Lernvoraussetzungen und berichteten u.a. vom so genannten "Speedtest“, in dem geprüft wird, wie viele Wörter Kinder in fünf Minuten lesen können. Zu oft werde die Lesefertigkeit, zu selten das Leseverstehen geprüft. Verschiedene Trainingsprogramme wurden vorgestellt, u.a. PALS, "Peer-assisted learning strategies“, die im angloamerikanischen Raum entwickelt und zurzeit in Deutschland evaluiert werden, um darauf aufbauend ein neues Trainingsprogramm zu entwickeln. "Was ist ‚guter’ Leseunterricht?“ lautete der Vortrag von Andrea Bertschi-Kaufmann von der Pädagogischen Hochschule Aarau. Sie fragte nach der Konsistenz des Lesebegriffs, verglich das papiergewendete Lesen mit dem Bildschirmlesen von Hypertexten und prüfte die Wirksamkeit von Lernarrangements der Leseförderung. Besonders interessant war ihr Versuch, auch literarisches Verstehen mit Tests einzufangen. Ihr bildungspolitisches Plädoyer umfasste die Forderung, Bücher nicht nur in oft schwer zugängliche Schulbibliotheken einzufügen, sondern sie direkt und gekoppelt mit Leseförderung in die Klassen zu bringen. Ihre Erwartung, Leselust und Lesekompetenz müssten generell von Schulen stärker gefördert werden, teilte sie mit allen Referenten. Maik Philipp (Universität Lüneburg) wagte zum Abschluss des Nachmittags den Blick über den Schulhof hinaus und untersuchte den Einfluss von Freunden auf das eigene Lesen. Oft würde durch ein lesefreundliches Umfeld nur die Lesefreude, aber nicht die Leseleistung positiv beeinflusst. Der erste Tag des Kolloquiums wird mit einer Abendveranstaltung in der Orangerie abgerundet. Die Gruppe "Theater Lanzelot“ führt das Schauspiel "Der Geist im Glas“ mit Musik und Masken auf. Die Zuschauer sollen in das Reich der Feen entführt werden. Morgen beginnt der Tag mit einer Stadtführung, wonach das Kolloquium mit zahlreichen weiteren Vorträgen fortgesetzt wird.