Was bleibt von den Olympischen Spielen in Peking?

11. September 2008
Redaktion Börsenblatt
Die Olympischen Spiele in Peking sind nun seit einigen Wochen Geschichte. Für viele Menschen bleibt ein fahler Nachgeschmack. Zu tief sitzen die Erinnerungen an einen übertriebenen chinesischen Perfektionismus und die harte staatliche Kontrolle.
Der IOC-Präsident Jacques Rogge zog eine positive Bilanz der Spiele, auch wenn er zugab, dass das IOC „keine Veränderungen in souveränen Staaten erzwingen und alle Krankheiten der Welt heilen“ könne. Die Pressezensur und die Unterdrückung von Protesten nannte er „nicht perfekt“. Dieser Meinung schloss sich der Club der Auslandskorrespondenten in China an. Demnach habe China in der Medienfreiheit das olympische Siegertreppchen verpasst. Es habe massive Schikanen von Journalisten gegeben, die über Protestaktionen berichten wollten. Tibet bleibe weiterhin für Journalisten gesperrt. Die chinesischen Medien zeigten sich wie schon während der Spiele durchweg positiv in ihrer Einschätzung der Spiele. Die staatliche Nachrichtenagentur sprach unter anderem von einem „Meilenstein auf dem Weg der großartigen Wiedererstarkung der chinesischen Nation“, von einem tollem Abschluß einer 30-jährigen Öffnungspolitik und der harten Arbeit um solch reibungslose Spiele zu organisieren. Natürlich ist es im Sinn der Führung, wenn vor allem die nationalen Aspekte der Spiele hervorgehoben werden. Aber die Chinesen können, sieht man von den oben genannten Aspekten ab, auch stolz auf diese Spiele sein. Sie haben die Amerikaner vom ersten Platz des Medaillenspiegels verdrängt. Die Spiele waren perfekt organisiert. Vergleicht man die Situation 2008 mit der Situation Chinas noch vor zwei Jahrzehnten, fällt auf, was in China alles passiert ist. Zudem hat sich durch die Olympischen Spiele auch in der Bevölkerung etwas verändert. Es kommen Fragen auf, warum es saubere Luft nur bei solchen Großereignissen gebe, oder warum unbelastete Nahrungsmittel nur ausländischen Gästen zustehe? Eine langsame Verbesserung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten liegt im Bereich des Möglichen. Eine echte Opposition wird daraus allerdings noch lange nicht entstehen. Für die Tibeter hingegen hat sich die Lage verschlechtert. Kurz standen sie im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit. Mit der totalen Abriegelung des Berglandes und der harten Unterdrückung jeglicher tibetischen Aktivitäten ist die Situation im Land auf einem Tiefpunkt angelangt. Das globale mediale Auge wandert jedoch weiter. China und Tibet werden aktuell von verheerenden Tropenstürme oder dem US-Wahlkampf aus den Schlagzeilen der Welt verdrängt. Die Geschichtsbücher unserer Kinder werden zeigen, welche langfristigen Folgen die Olympischen Spiele 2008 für China haben. Für chinesische Verleger halten sich die Veränderungen durch die Spiele jedenfalls in Grenzen. An dem System von marktwirtschaftlicher Orientierung der staatlichen Verlage unter Einbeziehung der halblegalen privaten Kulturagenturen wird sich wohl in absehbarer Zeit nichts ändern. Alexander Melzer studierte an der HTWK Leipzig Buchhandel/Verlagswirtschaft und an der FernUniversität Hagen Literaturwissenschaft und Soziale Verhaltenswissenschaften. Im Herbst 2005 schloss er das Studium in Leipzig nach einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in China mit einer Arbeit über den chinesischen Buchmarkt ab. Die Analyse des chinesischen Lizenzabsatzmarktes wurde im IKO-Verlag veröffentlicht. Momentan arbeitet er im Vertrieb des Evangelischen Verlagshauses.