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Die Welt als Wille und Vorstellung: Ein Abend mit Helmut Schmidt

18. September 2008
Redaktion Börsenblatt
Die erste Zigarette zündet sich Helmut Schmidt nach exakt 51 Minuten an. Endlich. Alle haben darauf gewartet; es gibt Szenenapplaus. Der Bundeskanzler a.D. sitzt entspannt auf der Bühne des Berliner Ensembles und hat gerade die dringendsten Aufgaben der zukünftigen US-Regierung skizziert.
Sein Gesprächspartner ist Claus Kleber, der alerte Nachrichtensprecher vom ZDF, der zu Beginn der Veranstaltung – vor Aufregung, vor Unbehagen? – komisch verhakt in seinem Sessel klemmte und sich erst allmählich in seine Nebenrolle gefügt hat. Er gibt heute Abend den gelehrigen Großneffen, dem der weise und weltgereiste Altvordere mal geduldig erklärt, wie es so ist mit der Politik und dem Finanzkapital, was getan werden müsste, um die Menschheit zu retten, und dass die deutschen Frauen wieder mehr Kinder kriegen sollten, wegen der Rente. Im Kosmos des Altkanzlers heißen die Vereinigten Staaten immer noch „Amerika“, darf von einer Weltregulierungsbehörde für das internationale Bankgeschäft ebenso geträumt werden wie von einem neuen Mittelstand in Russland, und die ohnehin seltenen vorlauten Fragen des Großneffen, etwa nach dem Chaos in der SPD, werden schon mal gar nicht beantwortet. Als Kleber wissen will, wen der Altkanzler lieber im Weißen Haus sehen würde, Obama oder McCain, wehrt der 89jährige ab: Er möchte nicht in den US-Wahlkampf eingreifen. Zwar erscheint das Risiko einer unbotmäßigen Intervention hier, in einem Theater an der Spree, recht gering, aber man kann nie wissen. Schließlich sitzt Richard von Weizsäcker im Publikum. Als die Veranstaltung nach knapp 90 Minuten vorbei ist, weiß man nicht recht, um was es eigentlich ging; jedenfalls um nichts, was man nicht anderswo schon mal gehört oder gelesen hätte. Eine Frage bleibt: Warum ging bei Applaus immer das Licht im Saal an? Die Bildergalerie zum Abend finden Sie hier.