Auszeichnungen

Uwe Tellkamp führt SWR-Bestenliste an

25. September 2008
Redaktion Börsenblatt
Viele Leser wünschen die Kritiker der SWR-Bestenliste im Oktober u.a. Uwe Tellkamp, Hanne Kulessa und Iris Hanika.
Für die SWR-Bestenliste nennen 29 Literaturkritiker monatlich in freier Auswahl vier Buch-Neuerscheinungen, denen sie "möglichst viele Leser" wünschen, und geben ihnen Punkte (15,10,6,3). Die Addition ergab für Oktober folgendes Resultat (in Klammern die Position der September-Bestenliste): 1. (-) 96 Punkte UWE TELLKAMP: Der Turm Roman. Suhrkamp Verlag Mittelschwere Lektüre "Geschichte aus einem versunkenen Land" nennt Uwe Tellkamp seinen monumentalen Roman im Untertitel. Er erzählt das letzte Jahrzehnt der DDR aus der Perspektive eines bedrängten Bürgertums, der Arztfamilien Hoffmann und Tietze, des Lektors Meno Rohde. Ihre Welt und ihre Kultur sind vom Untergang bedroht, aber dokumentieren zugleich die Erschöpfung eines ganzen Staates. 2. (7. - 8) 94 Punkte INGEBORG BACHMANN/PAUL CELAN: Herzzeit Briefwechsel. Herausgegeben von Barbara Wiedemann, Bertrand Badiou u.a. Suhrkamp Verlag Mittelschwere Lektüre "Der Versuch, in spürbar dünner Höhenluft Dichtung und Leben miteinander in Einklang zu bringen, verbindet die Briefe Ingeborg Bachmanns und Paul Celans mit den großen Marksteinen der Literaturgeschichte. So etwas hat es seit Kafkas Briefen an Felice und Milena nicht mehr gegeben." (Helmut Böttiger) 3. (-) 49 Punkte RAFAEL CHIRBES: Krematorium Roman. Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Kunstmann Verlag Mittelschwere Lektüre Am Anfang steht ein Tod. Als Matías stirbt, gerät das Gefüge einer ganzen Familie ins Wanken: der ältere Bruder, Bauunternehmer, der für Erfolg und Geld alles geopfert hat, die zweite Frau Sylvia, die es genau darauf abgesehen hat, die Tochter, die sich in das Schicksal einer zerrütteten Ehe schickt. Nichts hält mehr. 4. (-) 46 Punkte HANNE KULESSA: Der Große Schwarze Akt Roman. Weidle Verlag Leichtere Lektüre "Der Grabstein ist umgefallen", der Grabstein der Mutter. Paula benutzt ihn als Bank, ein Unbekannter kommt vorbei und reicht ihr ein Pfefferminzbonbon. Paula beginnt von ihrer Mutter zu erzählen... 5. (9.) 39 Punkte RUTH KLÜGER: unterwegs verloren Erinnerungen. Zsolnay Verlag Leichtere Lektüre 1992 erschien "weiter leben. Eine Jugend", der nüchterne Bericht einer Höllenfahrt durch die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager, Erinnerung und Dichtung zugleich. Jetzt erzählt Ruth Klüger ihre Geschichte als junges Mädchen in den USA, erzählt von der Heirat, der Scheidung, der Beziehung zu ihren Söhnen und ihrem Weg zu einer erfolgreichen Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin. 6. (10.) 33 Punkte NORBERT NIEMANN: Willkommen neue Träume Roman. Carl Hanser Verlag Mittelschwere Lektüre Der Held ist ein Fernsehjournalist in seiner midlife crisis. Er fährt zurück in seine Heimat, seine Mutter veranstaltet ein großes Fest. Aber wo ist das Glück, im Dorf oder in der Stadt? In der Welt der Medien oder sonstwo da draußen? Durch alle scheint ein Riß zu gehen, keiner scheint zuhause. Es kommt zum Eklat. 7. - 8. (-) 26 Punkte VOLKER BRAUN: Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer Suhrkamp Verlag Mittelschwere Lektüre Eine Welt ohne Arbeit, in der einer Arbeit sucht: Meister Flick. Und wenn er sie nicht bekommt, die 1-Euro-Jobs, die Aushilfsarbeiten, dann findet, erfindet er sich Tätigkeiten. Aber in einer Welt, der die Arbeit ausgeht, ist Arbeit Sabotage. 7. - 8. (4.) 26 Punkte CESARE PAVESE: Die einsamen Frauen Roman. Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Claassen Verlag Mittelschwere Lektüre Ein Meisterwerk in neuer Übersetzung zum 100. Geburtstag von Cesare Pavese. Die Geschichte einer erfolgreichen Frau, die nach Turin zurückkehrt, um erneut die gesellschaftlichen Zwänge in ihrer Heimatstadt zu erleben. 9.-11. (-) 25 Punkte IRIS HANIKA: Treffen sich zwei Roman. Literaturverlag Droschl Leichtere Lektüre "Da wird vom rührenden Glück zweier Tölpel erzählt, durchaus heutiger Tölpel in durchaus heftig-heutiger Sprache - na ja, wie die Leute halt in Berlin so reden, und dann wird auch wieder ganz albern-schwebend erzählt von Momenten, in denen die beiden lächelnd und zart einverstanden sind damit, in der Welt zu sein, in diesem Moment, in dieser Stadt, und das Tolle ist, dass man tief bewegt mit den beiden sympathisiert und denkt: So geht es manchmal auch, ja, doch, solche Erfahrungen gelungenen Lebens kann man bisweilen schon machen." (Jörg Drews) 9.-11. (-) 25 Punkte CHRISTIAN KRACHT: Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch Mittelschwere Lektüre Wir befinden uns mitten in einem hundertjährigen Weltkrieg. Das faschistische Deutschland kämpft gegen die Sowjetische Republik Schweiz, die 1917 vom Revolutionär Lenin begründet worden war. Der Held ist ein schwarzer Politkommissar, der hinter einem Konterrevolutionär her ist. Ein geopolitischer Fantasy-Roman im Sound des Ersten Weltkriegs. 9.-11. (-) 25 Punkte ORHAN PAMUK: Das Museum der Unschuld Roman. Aus dem Türkischen von Gerhard Meier. Carl Hanser Verlag Leichtere Lektüre Istanbul Mitte der 70er Jahre: Kemal steht kurz vor seiner Verlobungsfeier mit Sibel, "die nach Meinung aller ausgezeichnet" zu ihm passt, als er Füsun trifft, mit ihm verwandt, aus ärmlicheren Verhältnissen kommend und wunderschön. Eine heiße Affäre beginnt. Auf dem Verlobungsfest taucht Füsun zum letzten Mal auf. Danach erst weiß Kemal, was er verloren hat. Persönliche Empfehlung im Oktober von Andreas Isenschmid (Zürich) Claude Simon: Der blinde Orion Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Zweitausendeins "Einer der berühmtesten experimentellen Texte des Nobelpreisträgers Claude Simon liegt hier erstmals in Deutsch vor. Wie gewohnt fabelhaft übertragen von Eva Moldenhauer. Simon beschäftigt sich mit einer Reihe von Bildern, berichtet von ihnen aber nicht, wie das herkömmliche Erzählen, in zeitlicher und kausaler Folge. Stattdessen bastelt, arrangiert und permutiert er Bildfragmente nach Gemeinsamkeiten von Wörtern oder Formen. Was beim Lesen sperrig anhebt, gewinnt, hat sich der Kopf erst von den alten Regeln befreit und an die neuen gewöhnt, eine rauschhafte Dimension. (Andreas Isenschmid)