Eingeladen hatte der Freundeskreis der Frithjof Voss Stiftung für Geographie e.V. gemeinsam mit der Kartenabteilung der Staatsbibliothek. Zu den Themen, die von Analysen und Interpretationen früher Kartenwerke des 16. Jahrhunderts bis zur der Nutzung von Geodaten im Management humanitärer Katastrophen reichten, gehörte auch die Darstellung animierter und interaktiver Kartografie im Nationalatlas der Bundesrepublik Deutschland. Das 12-bändige Wissenschaftswerk mit beigefügter CD wurde im vergangenen Jahr nach achtjähriger Erarbeitungsphase vom Leipniz-Institut für Länderkunde herausgebracht und ist im Spektrum Verlag erschienen. Es stellt Deutschland in Karten, Texten und Bildern dar informiert umfassend über Gesellschaft und Staat, Bevölkerung und Kommunen bis zur kulturellen Struktur, Freizeit und Tourismus. Börsenblatt.net fragte den Leiter des Instituts Prof. Dr. Sebastian Lentz nach der Breitennutzung dieser Daten.
Welche Nachfrage findet der Nationalatlas?
Prof. Lentz: Die Auflage war ziemlich niedrig, wir haben etwa 2 200 Exemplare abgesetzt, das heißt es gab eine geringe Verteilung. Die erste Intention der Macher, daraus einen Volksatlas zu machen, ließ sich leider bisher nicht verwirklichen. Wir merken aber, dass die Karten aus dem Nationalatlas viel nachgenutzt werden. Es gibt enorm viele Anfragen von Schulbuchverlagen, öffentlichen Institutionen, dem Auswärtigen Amt, aus der Kommunalpolitik usw, denen wir gern entsprechen.
Die Rechte liegen nicht beim Spektrum Verlag, sondern bei ihrem Institut. Wie werden die Substanzen vermarktet?
Prof. Lentz: Wir verkaufen für eine sehr geringe Nachnutzungsgebühr einzelne Karten und liefern dann in der Regel die druckfertige Datei. Die wichtigste Klientel sind Bildungsverlage. Aber auch Wirtschaftsverlage zeigen Interesse. Wir haben jetzt vor, die vorliegenden 12 Bände zu komprimieren und zu ausgewählten Themen eine aktualisierte Fassung in einem Band herauszubringen.
Sie liefern mit der Druckausgabe eine digitale Version auf CD und es gibt ein Online-Portal. Was wird hierüber angeboten?
Prof. Lentz:Es gibt im Internet von uns vor allem aktualisiertes Kartenmaterial zum Nationalatlas. Dieser Service ist für Bildungszwecke, also für Nutzer in Schulen oder Hochschulen, kostenlos. Alle drei bis vier Wochen erscheint dazu eine neue Grafikserie mit erläuterndem Text, der einen der 60 bis 80 Beiträge, die in einem Band zu finden sind, auf aktuellen Stand bringt. Was da im Laufe der Zeit entsteht, ist eigentlich ein neuer Nationalatlas. Wer das kommerziell nachnutzen will, muss eine Lizenz erwerben.
Gibt es eine Chance, bald ein europäisches Netzwerk solcher Nationalatlanten zu haben?
Prof. Lentz: Es gibt solche Bemühungen. Wir selbst haben versucht, einen Europa-Atlas im Internet einzurichten. Aber es gibt bisher keine solide Finanzierung. In Brüssel sah man sich bisher außer Stande, das zu fördern. Wir suchen jetzt nach anderen Wegen. Übrigens, in Schweden findet der dortige Nationalatlas viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Von einem Band werden dort etwa 30 000 Exemplare verkauft.
Blickt man auf den Kartografiemarkt, so sind digitalisierte Karten, vor allem aber die Navigeräte enorm im Vormarsch. Hat die Papierausgabe künftig noch eine Chance, sich zu behaupten?
Prof. Lentz: Das ist fast eine Glaubensfrage. Aber ich denke, ein gut gemachter Papieratlas hat solche haptischen Qualitäten, dass man ihn weiter nutzt, wo es nicht um ganz schnelle Informationsabfragen geht. Da ist die Volltextsuche unübertroffen. Aber auch der Nationalatlas wird heute nach unseren Erfahrungen vorwiegend als heuristisches Medium genutzt. Fachleute aus Kommunalpolitik oder Wirtschaft blättern darin auf der Suche nach Ideen, nach Problemen oder Darstellungsformen. Da scheint mir die gedruckte Form mit hohem Qualitätsanspruch lange noch überlebensfähig zu sein.