Keine kulturelle Institution wird in Deutschland so intensiv von Einwanderern genutzt wie die öffentlichen Bibliotheken. Nicht nur in den Ballungszentren erreicht ihr Anteil inzwischen 20 bis 35 Prozent. Die Nachfrage nach fremdsprachiger Literatur und Materialien zum Deutschlernen ist auch mit mittleren und kleineren Städten und Kommunen deutlich gewachsen. Und auch die interkulturellen Bestände der Bibliotheken konnten abhängig von den Etats und der Zuwanderung in den jeweiligen Regionen spürbar erweitert werden. Am Buchmarkt boomt zudem das Fremdsprachensortiment, Verlage erweitern ihre Programme insbesondere mit zweisprachigen Titeln.
Öffentlichen Bibliotheken wächst bei der Integration von Migranten eine immer wichtige Aufgabe zu, unterstrich deshalb auch Barbara Schleihagen Geschäftsführerin des Deutschen Bibliotheksverbandes DBV bei der Vorstellung des neuen Webportals heute Vormittag in der Berliner Zentral- und Landesbibliothek. Vor allem ist fachkundige Beratung und Unterstützung bei der Nutzung der vorhandenen Bestände dringender denn je.
Und genau an diesem Punkt setzt das neue interkulturelle Webportal an, das von einer Expertengruppe des DBV entwickelt wurde. Dieses Portal verfolgt zum einen das Ziel, den Bibliothekaren selbst in einem berufsfachlichen Teil Informationen und Hilfestellungen für die tägliche Beratung bei der Bereitstellung von Literatur zur Hand zu geben - zum Beispiel mit einem Link zu anderen Bibliotheken, in denen die umfangreichsten Bestände in einer bestimmten Sprache vorhanden sind. Zum anderen können aber auch Nutzer selbst über ein Sprachenportal Zugang zu fremdsprachigen Beständen, Online-Wörterbüchern und vielen anderen Quellen in über 20 der in Deutschland wichtigsten Migrantensprachen finden. Dazu gehört neben dem Arabischen und Chinesischen auch Kisuaheli, Tamil oder Thai.
Bibliothekare können dabei auch auf Übersichtslisten mit Buchhandlungen zurückgreifen, die fremdsprachige Bücher und andere Medien anbieten. Wo kann ich originalsprachige Bücher kaufen, gehöre zu den FAQs der Bibliothekskunden. Hinzu kommen viele Tipps zur Lese- und Sprachförderung von Kindern, die aktuell in verschiedenen Bibliotheken angeboten werden.
Dr. Volker Pirsich betonte als Leiter der ehrenamtlich arbeitenden Expertengruppe den weiterhin offenen Projektcharakter des interkulturellen Portals, das nur durch die Mitwirkung von vielen engagierten Bibliothekaren weiter auszubauen ist. Ein weiteres Ziel bestehe in der Einrichtung einer internationalen Bibliothek.
Auch der Weltverband der Bibliotheksverbände IFLA unterstützt mit seinen Initiativen die Netzwerke interkultureller Bibliotheken, erläuterte Präsidentin Claudia Lux. So würden immer mehr Einrichtungen in aller Welt Inhaltsverzeichnisse und Abstracts ihrer neuen Bestände sowie urheberrechtsfreie Titel digitalisieren und ins Internet stellen. Die jüngste IFLA-Erklärung zur multikulturellen Bibliothek will die globale Verständigung und Kommunikation befördern, die ohne gegenseitigen kulturellen Respekt, also auch ohne Vielsprachigkeit nicht auskommt.