Das Podium war prominent besetzt. Google-Kritiker Gerald Reischl (Die Google-Falle, Ueberreuter) hatte zugesagt, ebenso Google-Lobbyistin Annette Kroeber Riel, zuständig für die politische Interessenvertretung des amerikanischen Konzerns in den deutschsprachigen Ländern. Auch Akademie-Präsident Klaus Staeck, Deutschlands oberster Datenschützer Peter Schaar und Thierry Chervel vom Perlentaucher.de meldeten sich zu Wort. Doch wer eine mit Fakten und Argumenten gespickte Kontroverse erwartet hatte zu Problemen wie Speicherung von Nutzerdaten zu Werbe- und Marketingzwecken oder Missbrauch einer Vormachtstellung, wurde enttäuscht. Stattdessen bleibt es nur zu oft bei vagen Vermutungen und gefühlsgesteuerten Vorwürfen. Das angekündigte Thema Buch- und Bilddigitalisierung und Urheberrecht kam gleich gar nicht zur Sprache.
Neben den unzweifelhaft großen Leistungen der Datensuchmaschine, die sich vor allem in der Effizienz bei der Bündelung und Auffindbarkeit von Wissen beweist, muss sich der amerikanische Konzern, der 2007 einem Gewinn von 4,2 Mrd. US-Dollar machte, immer wieder dem Vorwurf stellen, in seiner Informationspolitik nicht mit offenen Karten zu spielen und damit auch unberechenbar in seiner Marktstrategie zu sein. Deshalb sehe er auch die Datensammelleidenschaft bei Google besonders kritisch, bekräftigte Gerald Reischl in der Debatte. Schon bei der Frage, welche der persönlichen Daten und Informationen über abgefragte Inhalte zusammen mit der IP-Adresse in den Speicher gehen, bleibt das meiste offen. Nur soviel ist bekannt: Auf Intervention deutscher Datenschützer soll in Europa die IP künftig statt bisher für 18 nur noch für 9 Monate in den Speicher gehen. Zur Frage warum überhaupt gespeichert wird, gab Google-Vertreterin Kroeber Riel nur preis: Wir sammeln Daten, um die Suchergebnisse zu lokalisieren und zu verbessern. Das helfe besonders bei kleineren Sprachgebieten. Dabei halte man sich an geltende Gesetze. Es blieb also bei Allgemeinplätzen. Nur eine Ausnahme gab es: Google erfülle Forderungen der chinesischen Regierung nach einer Minimalzensur, ließ Annette Kroeber Riel erkennen. Das sollte wohl nicht herausrutschen. Aber es wurde auch nicht nachgehakt.
Weiteren Vorwürfen, mangelndes Demokratiebewusstsein zu beweisen und den Datenschutz zu verletzen, muss sich Google auch bei manchen seiner Services stellen. Der kostenfreie E-Mail-Dienst G-Mail wird für kontextbezogene Werbung genutzt, durchstöbert also auch Inhalte. Für das in den USA schon populäre Sightseeing-Projekt Street View, kurvten gerade auch die Kameraautos durch Berlin. Das lässt vielen vorwiegend jungen Internetnutzern zwar die Herzen höher schlagen. Der in die Jahre gekommene Klaus Staeck
beklagte hingegen jegliche leichtfertige Freigabe persönlicher Daten als gefährlichen Verlust an Sensibilität.
Was also tun, wenn man als Internetnutzer dem System Google wenig Vertrauen schenkt? Das Podium riet, Alternativen zu nutzen, wenngleich damit auch zuweilen Leistungsverluste oder geringerer Komfort in Kauf zu nehmen sind. Meta-Suchmaschinen wie etwa die niederländische
www.ixquick.com bieten sich da an, die auf Speicherung der IP-Adresse verzichtet. Oder auch der Zugriff auf Anonymisierungsdienste wie
www.anomous.org, wenn die Suche weitgehend ohne Spuren verlaufen soll. Und es bleibt der politische Appell: die Zivilgesellschaft muss Monopolen wie Google, wenn nötig, auf die Finger klopfen, den Aufstieg kritisch begleiten.
Der Konzern jedenfalls hat die Antennen ausgefahren. Lobbyistin Kroeber Riel warnte vor Hysterie und bekannte: Das Vertrauen der Nutzer ist unser Kapital. Sie hatte zum ersten Mal auch mit Gerald Reischl an einem Tisch gesessen und damit Zeichen gesetzt. Google muss an Imagepflege auch in Europa sehr gelegen sein.